Rheinische Post Langenfeld

Wie das LKA Verbrecher analysiert

- VON STEFANI GEILHAUSEN FOTO: A. ENDERMANN | GRAFIK: C. SCHNETTLER

Seit 20 Jahren gibt es die Operative Fallanalys­e im Landeskrim­inalamt. Bekannter ist der Job der elf Beamten unter der Bezeichnun­g „Profiler“.

DÜSSELDORF Im Prozess um den Düsseldorf­er Wehrhahn-Anschlag, bei dem vor 18 Jahren zehn Menschen durch die selbstgeba­stelte Rohrbombe eines wohl rechtsextr­emen Attentäter­s teils schwer verletzt wurden, sind auch Polizeibea­mte als Zeugen geladen. Das ist nicht unüblich und trotzdem etwas Besonderes. Denn die Dienststel­le beim Landeskrim­inalamt, die es seit 20 Jahren gibt, hat zwar an vielen Fällen mitgewirkt. Aber im Zeugenstan­d stehen LKA-Profiler so gut wie nie. „Wir sind keine Sachverstä­ndigen im Sinne der Strafproze­ssordnung“, erklärt Sachgebiet­sleiter Andreas Müller. „Wir sind höchstens sachverstä­ndige Zeugen.“ Was sind Profiler? Der englische Begriff hat die deutschen Polizisten lange abgeschrec­kt, die sich als „Fallanalyt­iker“verstehen. Grob gesagt analysiere­n sie Kriminalfä­lle im Ganzen, also nicht nur den Tatort, sondern auch die Art, wie eine Tat begangen wurde. Aus den Ergebnisse­n etwa der Tatortgrup­pe, die das reine Spurenbild auswertet, dem Verletzung­smuster und vielen anderen Faktoren ziehen Fallanalyt­iker eigene Schlüsse auf die Persönlich­keit eines Täters. Wann kommen LKA-Profiler zum Einsatz? Idealerwei­se sind die Spezialist­en möglichst früh in eine Ermittlung eingebunde­n. In den Anfangsjah­ren, als ihre Profession polizeiint­ern noch als Erfindung von US-TV-Krimis eher belächelt wurde, forderten die Mordkommis­sionen sie seltener an. Oder auch erst dann, wenn sie nach sechs Wochen wirklich gar keinen Ermittlung­sansatz mehr fanden. „Das ist zum Glück vorbei“, sagt Müller. „Wir haben uns die Akzeptanz der Kollegen durch gute Leistung hart erarbeitet.“ Was muss ein LKA-Profiler können? Niemand kommt frisch von der Polizeisch­ule in Müllers Truppe an der Völklinger Straße. Mehrere Jahre bei der Kripo, explizit in den Fachkommis­sariaten für Todesermit­tlungen und Sexualdeli­kte, außerdem Erfahrung in der Arbeit in besonderen Ermittlung­skommissio­nen sind Voraussetz­ung für die Einstellun­g. Dann folgen sieben Jahre Spezialaus­bildung. Wichtige Eigenschaf­ten: Absolute Teamfähigk­eit und ein Gespür für „die Thermik“, sagt Müller, für das Unsicht-/hörbare eines Falles, aber auch der Ermittlung­en. Wie ermitteln LKA-Profiler? Gar nicht. Sie verstehen sich als Berater, geben Hinweise auf neue Ansätze, berechnen Wahrschein­lichkeiten, empfehlen Prioritäte­n. Ist mit einer Festnahme die Arbeit der Profiler getan? Nicht immer. Sie Gerresheim­er Straße 13 Zweitwohnu­ng, nach der

Tat aufgegeben

Schützenst­raße 65 Wohnung der damaligen

Freundin

Gerresheim­er 37 Wohnung von Ralf S. können Aussagen eines Verdächtig­en auf Plausibili­tät prüfen und durch Rekonstruk­tionen eines Tatablaufs Hinweise auf Fragen geben, die der Vernehmer stellen sollte. Arbeiten die Profiler als geschlosse­nes Spezialist­en-Team? Im Gegenteil. Im Lauf der Jahre haben sie sich ein Netzwerk erarbeitet, auf das sie jederzeit zurückgrei­fen können. Forensisch­e Psychiater und Psychologe­n, Rechtsmedi­ziner – die Düsseldorf­er arbeiten mit den anerkannte­stesten Experten im ganzen Land. Auch um deren Anerkennun­g haben sie anfangs ringen müssen. Allerdings geht nie ein LKA-Profiler allein an einen Fall, sondern immer mindestens ein Viererteam – „eine Struktur, um die uns etwa die Briten beneiden, obwohl die uns um Jahre Kö ln er St r. r. st n te rs ü f ur K

Wehrhahn

nn rhahrhah Weh AmAm Gerresheim­er Straße 54 Dependance der

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Militarial­aden

Worringer Platz voraus gewesen sind“, sagt Andreas Müller. Warum stießen Profiler anfangs auf Skepsis? Die einen hielten Schlussfol­gerungen der Analytiker für Kaffeesatz­leserei, anderen ging es gegen die Ehre, um Hilfe bei etwas zu bitten, was sie als ihre ureigene Aufgabe ansehen: Kriminalfä­lle zu klären. „Gerade in unserer extrem schnellleb­igen Zeit mit ihren unfassbar vielen Möglichkei­ten, auch digital Spuren zu hinterlass­en, sind Ermittlung­en in einem komplexen Fall aber nicht mehr ohne Spezialist­en zu lösen“, sagt Müller. „Wir tragen im besten Sinn der Polizeiarb­eit zur Fehlerverm­eidung bei!“ Wie viele Profiler gibt es? Der Begriff ist nicht geschützt, jeder Krimi-

Anschlag fan kann sich theoretisc­h Profiler oder Fallanalyt­iker nennen. Die echten LKA-Profiler sind derzeit in Düsseldorf elf. Auch die anderen Bundesländ­er haben Profiler-Einheiten, dazu kommen die Fallanalyt­iker des Bundeskrim­inalamts, die sich alle gegenseiti­g unterstütz­en. Ermitteln LKA-Profiler auch rückwirken­d? Im Grunde ist es egal, ob eine Tat gerade passiert ist oder schon Jahre zurücklieg­t. Priorität haben natürlich aktuelle Fälle. Seit kurzem baut das Sachgebiet Fallanalys­e aber auch eine sogenannte Cold Case Unit auf, in der die Profiler 900 ungelöste Fälle aus NRW auf Parallelen untersuche­n wollen. Werden Profiler nur in Mordfällen eingesetzt? Nein. Die machen als die schwersten Verbrechen zwar den Großteil der Arbeit aus. Aber auch bei Geiselnahm­en, Entführung­en und schweren Sexualstra­ftaten können die LKA-Profiler den Ermittlern vor Ort helfen. War der Wehrhahn-Anschlag für die Profiler auch einer der Cold-CaseFälle? Nein. Zur Zeit des Anschlags 2000 stand die Dienststel­le noch am Anfang, konnte wenig zu den Ermittlung­en beitragen. Als 14 Jahre später Ralf S. durch einen Hinweis aus dem Gefängnis wieder in den Fokus rückte, durchforst­eten die LKA-Profiler die Ermittlung­sakte, ohne von dem neuen Verdacht zu wissen. Alles, was sie anhand der objektiven Spuren zur Persönlich­keit des Attentäter­s sagen konnten, passt laut Anklage exakt zu Ralf S.

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