Rheinische Post Langenfeld

Wie Christian Schreier „Mr. Europacup“wurde

- VON SEBASTIAN BERGMANN

Heute vor 30 Jahren gewann Bayer 04 den Uefa-Pokal. Schreier war im Finale dabei – obwohl er es nicht hätte sein dürfen.

LEVERKUSEN Es ist Mittwoch, der 18. Mai 1988. Das Ulrich-Haberland-Stadion ist mit 22.000 Zuschauern restlos gefüllt. Um sich den Traum vom Titel zu erfüllen, hoffen die Fans von Bayer Leverkusen auf ein Fußballwun­der. Zum Finalrücks­piel um den Uefa-Pokal empfängt der Bundesligi­st an diesem Abend den Favoriten Espanyol Barcelona. Das Hinspiel zwei Wochen zuvor haben die Spanier nach einem Doppelpack von Sebastián Losada und einem weiteren Treffer durch Miquel Soler klar mit 3:0 gewonnen – die von Erich Ribbeck trainierte Werkself steht mit dem Rücken zur Wand.

Christian Schreier

Christian Schreier erinnert sich noch gut an die Stimmungsl­age vor dem Rückspiel. „Niemand hat mehr einen Pfifferlin­g auf uns gewettet“, sagt der ehemalige Leverkusen­er. Dass er an jenem Abend in der Startforma­tion stand, war bereits das erste Fußballwun­der, das die Fans erlebten. Nach einem Foulspiel von Uli Borowka im Halbfinale des Uefa-Cups gegen Ligakonkur­rent Werder Bremen hatte sich Schreier einen Adduktoren­anriss zugezogen. Eine Diagnose, die unter normalen Umständen das sichere Saison-Aus für ihn bedeutet hätte.

Aufgrund der Verletzung verpasste Schreier zehn Pflichtspi­ele in Serie. In Anbetracht der drohenden Finalpleit­e gegen Barcelona bekniete ihn Ribbeck jedoch, für das Rückspiel auf die Zähne zu beißen. „Ich hätte nicht dabei sein dürfen“, sagt der heute 59-Jährige. „Aber der Trainer hat mir gesagt, dass ich spielen muss. Also habe ich gespielt.“

Obwohl Schreier nach eigenem Bekunden „kaum laufen“konnte, kam er als Mittelstür­mer noch zu zwei Kopfballch­ancen. Ribbecks Plan, allein mit Schreiers Präsenz auf dem Rasen den Gegner zu verunsiche­rn, ging aber nur halb auf. Nach 45 Minuten stand es 0:0 – das Wunder schien auszubleib­en. Den angeschlag­enen Schreier ersetzte Herbert Waas zur Halbzeit. „Ich habe die Jungs dann von der Bank aus heiß gemacht“, blickt der gebürtige Castrop-Rauxeler zurück.

Der Rest ist der Partie ist Leverkusen­er Klubgeschi­chte: Tita (57.), Falko Götz (63.) und Bum-kun Cha (81.) erzwangen die Verlängeru­ng. „Die Atmosphäre im Stadion war außergewöh­nlich“, sagt Schreier. Ob jemals Zweifel bei ihm aufkamen? „Nein. Wir haben immer an unsere Chance geglaubt.“

Nachdem es auch in der Verlängeru­ng torlos blieb, wurde der Sieger im Elfmetersc­hießen ermittelt. Rüdiger Vollborn, der sich entschloss­en hatte, die spanischen Schützen mit den Armbewegun­gen einer rudernden Ente nervös zu machen, avancierte zum Helden, parierte einen Strafstoß von Manuel Zuniga und brachte auch Santi Urkiaga und Losada dazu, das Tor zu verfehlen. Für Leverkusen trafen derweil Wolfgang Rolff, Waas und Klaus Täuber. Was folgte, war Ekstase pur. „In der Liga haben wir unsere Leistung in der Saison nicht immer abgerufen, aber im Endeffekt war alles gut“, sagt Schreier rückblicke­nd.

Auch wenn er im Finale keine entscheide­nde Rolle spielte, ist Leverkusen­s größter Kluberfolg eng mit seinem Namen verknüpft. Nicht nur half Schreier mit seinem Tor zum 2:2-Endstand am letzten Spieltag der Saison 1985/86 in Gelsenkirc­hen, dass sich Bayer erstmalig für den Europapoka­l qualifizie­rte. Nein, er erzielte in der darauffolg­enden Spielzeit auch gleich die ersten beiden Treffer beim 4:1-Sieg in Schweden bei Kalmar FF. Auf dem Weg zum Titel 87/88 gelangen ihm sogar drei Treffer – darunter das 1:0Siegtor in der 2. Runde gegen den FC Toulouse. Seinen Spitznamen „Mr. Europacup“, den er aufgrund seiner Tore auf dem Weg ins Endspiel verpasst bekam, hört er freilich auch heute noch gerne.

Darauf bestehen will der Held von 1988 aber nicht: „Wenn mich jemand Christian ruft, ist mir das genauso lieb.“

„Niemand hat

mehr einen Pfifferlin­g auf uns gewettet“

Uefa-Pokalsiege­r mit Bayer 1988

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FOTO: IMAGO Zünftige Kabinenfei­er inklusive Sektdusche: Knut Reinhardt, Christian Schreier und Klaus Täuber (v.l.) begießen den bis heute größten Erfolg in der Leverkusen­er Vereinsges­chichte nach dem Sieg im Elfmetersc­hießen gegen Espanyol Barcelona.

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