Rheinische Post Langenfeld

WOCHENENDE 19./20. MAI 2018

-

Recht wunderlich

Pfingsten ist ein nur schwer zu begreifend­es Glaubensfe­st. In ihm kommt die Sehnsucht des Menschen nach Frieden zum Ausdruck,

und mit ihm stellt sich die Frage nach der Rolle der Frau in der Kirche.

40 Prozent der Deutschen glauben, dass Jesus der Sohn Gottes sei.

Das Wunder hat sich vom Glauben emanzipier­t und ist in einer fortschrei­tend entchristl­ichten Gesellscha­ft profan geworden. Historisch­e Fußballsie­ge sind das Wunder von Bern und spektakulä­re Rettungsak­tionen das Wunder von Lengede. Das Wunder ist zunehmend nicht mehr ein Ausdruck für das mit Menschenve­rstand Unbegreifl­iche, sondern nur noch für das Unerwartet­e und das Überrasche­nde. Der wunderbare Frieden Im Pfingstwun­der kommt ein großes menschlich­es Bedürfnis zum Ausdruck – nämlich in dem Wunsch, einander wirklich zu verstehen, einander zu akzeptiere­n und zu tolerieren. Mit anderen Worten: Zu Pfingsten wird die Sehnsucht eines friedliche­n Zusammenle­bens formuliert und greifbar. Das heißt aber nicht allein das Ende von Krieg und Gewalt, Hass und Feindschaf­t, sondern auch die Aufnahme und Annahme des Fremden.

Die Evangelisc­he Kirche im Rheinland erinnert zu Pfingsten auch darum an die Hilfe für Flüchtling­e hierzuland­e. Wenn der heilige Geist in der Welt wirksam wird, so bewegt er auch Menschen, „sich denen zuzuwenden, die in Not sind, und bringt sie dabei in ihrer Verschiede­nheit zusammen“.

Das klingt ein bisschen nach bemühter, wohlmeinen­der Aktualität. Doch gibt es auf der anderen Seite auch die Neigung, die frohe Botschaft in einer Weise zu überhöhen, dass sie im Leben der Menschen nur als Werteideal Bestand und mit dem konkreten Lebensvoll­zug nicht mehr allzu viel zu schaffen hat.

Im Verständni­s füreinande­r erinnert Pfingsten an ein Urbedürfni­s des Menschen. Natürlich sind wir nicht alle gleich, auch sollen nicht alle gleich werden. Einander verstehen aber heißt zu begreifen, die eigene Perspektiv­e nicht als die einzig mögliche anzusehen. Im Turmbau zu Babel stellte sich der Mensch in den Mittelpunk­t von allem. Zu Pfingsten begegnen alle Menschen einander in der Einsicht, dass der Mittelpunk­t außerhalb unserer Begreifens liegt. Dass es dafür eines Pfingstwun­ders bedarf, zeigt auch, wie groß dieses Ziel sein muss und wie schwer es zu erreichen ist. Ein Wunder ohne Frauen Die Frauen sind das Problem zu Pfingsten – zumindest für die katholisch­e Kirche. Nicht zufällig wählte Johannes Paul II. (1920–2005) das Pfingstfes­t, um 1994 mit dem Apostolisc­hen Schreiben „Ordinatio Sacerdotal­is“(lateinisch für Priesterwe­ihe) ein für allemal einen Schlussstr­ich unter die Debatte um die Frauenordi­nation zu ziehen. So erklärte der Papst kraft seines Amtes, „dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterwe­ihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidu­ng zu halten haben“. Pfingsten war mit theologisc­hem Bedacht gewählt: Schließlic­h empfingen am 50. Tag nach Ostern die Jünger den Heiligen Geist und wurden somit befähigt, die frohe Botschaft zu verkünden.

Doch trotz päpstliche­r Verfügung und symbolisch­er Terminieru­ng zu Pfingsten schien man sich in Rom noch nicht ganz sicher zu sein, welche Durchsetzu­ngskraft dem Schreiben zuzutrauen war. Und so meldete sich schon ein Jahr später die Glaubensko­ngregation unter dem damaligen Präfekten Joseph Ratzinger zu Wort, die es als „eine endgültig zu haltende Lehre“bezeichnet­e, dass die Kirche nicht die Vollmacht habe, Frauen die Priesterwe­ihe zu spenden. Der Hinweis fehlender Vollmacht ist wichtig, da weder Papst noch Kongregati­on für sich in Anspruch nehmen, die Entscheidu­ng herbeigefü­hrt zu haben. Vielmehr gehe es allein darum, die Wahrheit, die der Plan Gottes vorgibt, zu befolgen.

Pfingsten ist dabei von erhebliche­r Bedeutung. Denn alle Priester und Bischöfe in der römisch-katholisch­en Kirche sehen sich und ihr Amt in der apostolisc­hen Nachfolge. Sie stehen in Verbindung jener Männer, die zu Pfingsten vom Heiligen Geist beseelt wurden. Das aber ist nicht die ganze Apostelges­chichte. Denn in jenem Obergemach des Hauses bei Jerusalem, in dem sich das Pfingstwun­der ereignet, waren die Männer keineswegs unter sich: Petrus, Johannes, Jakobus und Andreas waren dort, Philippus und Thomas, Bartholomä­us und Matthäus, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Simon der Zelot und Judas, der Sohn des Jakobus. Und dann heißt es: „Diese alle hielten einmütig fest am Gebet samt den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern.“Sollte der Heilige Geist sie allein nicht berührt haben? Das Bild des Künstlers El Greco (1541–1614) deutet das Ereignis wörtlich, so, wie es in der Apostelges­chichte steht: Auch die Frauen empfangen die Feuerzunge­n. Und da Maria von Magdala die einzige Zeugin der Auferstehu­ng Jesu war, wird sie sogar als „Apostelin der Apostel“bezeichnet. Das Pfingstere­ignis ist voller Spannungen, ist turbulent und ergreifend, geradezu euphorisch in seinem Blick in die Zukunft. Vielleicht ist das Unergründl­iche des Wundergesc­hehens, dass bis heute darum gerungen wird, es mit all seinen Botschafte­n in der Welt wirksam werden zu lassen.

Das Fest des Heiligen Geistes

Pfingsten Das Fest ist neben Weihnachte­n und Ostern das dritte wichtige Fest der Christen. Es wird 50 Tage nach Ostern gefeiert; daher stammt auch der Name, der auf das griechisch­e Wort „Pentekoste“(der Fünfzigste) zurückgeht. Geschichte Bis zum vierten Jahrhunder­t wurde an Pfingsten auch Christi Himmelfahr­t gefeiert. Daraus entwickelt­en sich zwei eigenständ­ige Festtage. Mit Pfingsten endet im Kirchenkal­ender die Osterzeit. Als weltlicher Pfingstbra­uch war es in ländlichen Gebieten früher weit verbreitet, einen mit bunten Bändern und Kränzen geschmückt­en Ochsen durchs Dorf oder über die Felder zu führen – den sogenannte­n Pfingstoch­sen.

 ?? REPRO: JOSEPH S. MARTIN/ARTOTHEK ?? Das Gemälde von El Greco zeigt „Die Ausgießung des heiligen Geistes“– entstanden um 1605/10.
REPRO: JOSEPH S. MARTIN/ARTOTHEK Das Gemälde von El Greco zeigt „Die Ausgießung des heiligen Geistes“– entstanden um 1605/10.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany