Wenn Studenten Sorgen plagen
Der Bedarf an Beratung zu finanziellen oder psychologischen Fragen ist gestiegen. Die Studierendenwerke orientieren sich neu.
KÖLN Wie soll ich mein Studium finanzieren? Wie gleichzeitig jobben und den Bachelor in sechs Semestern schaffen? Und dann auch noch beste Noten erzielen, um gute Chancen auf einen Job zu haben? Fragen, die viele Studierende beschäftigen. Oft wird der Druck so groß, dass die Motivation in den Keller sinkt. Psychische Probleme können die Folge sein. Dann brauchen Studierende Rat und Stärkung. „Quer durch all unsere Beratungsbereiche gab es in den vergangenen Jahren einen enormen Anstieg des Beratungsbedarfs unter den Studierenden von bis zu 40 Prozent“, sagt Gaby Jungnickel, Abteilungsleiterin der Anlaufstelle Beratung, Kinder und Soziale Angebote im Kölner Studierendenwerk.
Ein Grund dafür sei die vielfältiger werdende Hochschullandschaft. „Sich in diesem Dschungel an Möglichkeiten zu orientieren, wird immer komplexer“, so die Psychologin. „Gleichzeitig sind die Studierenden aber verstärkt auf der Suche nach Wegen, Hindernisse zu überwinden. Die Hemmschwelle, sich Hilfe zu holen und Beratungen in Anspruch zu nehmen, ist gesunken.“Psychologische Probleme seien enttabuisiert, wer ein Problem habe, lasse sich gerne von einem Experten coachen.
Zu Bafög und Wohnheimplätzen, zum Studium mit Kind oder zu psychologischen Problemen wie Studienstress oder Prüfungsangst berät das Kölner Studierendenwerk – ebenso wie die entsprechenden Werke an allen übrigen Hochschulstandorten in Deutschland. „Der Dauerbrenner ist sicherlich das Thema Jobben parallel zum Studium“, sagt auch Klaus Wilsberg, Pressesprecher des Kölner Studierendenwerks. „Köln ist ein teurer Standort, die Miete ist deutlich höher als in den meisten anderen Unistädten. Und deshalb müssen hier viele Studierende nebenbei arbeiten, egal, ob sie auch Bafög bekommen oder nicht.“Wie viel darf ich verdienen, wie ist es mit meinem Studentenstatus, welche Versicherungen brauche ich, und wo gibt es für mich als Studierendem Vergüns- Ich habe bereits an dieser Stelle über Studierende geschrieben, die es im Rentenalter an die Uni zieht. Mittlerweile fällt mir zunehmend eine andere Gruppe auf. Ich habe sie die Junior-Senioren getauft.
Damit meine ich nicht die tatsächlichen Senioren, die zu Beginn des Semesters ganz aufgeregt auf den Gängen erscheinen. Nein: Junior-Senioren sind souverän, in allen Bereichen. Sie sind Studierende meiner Altersklasse, die schon seit ein paar Semestern dabei sind – und dabei nicht unbedingt sichtbar, aber deutlich hörbar gealtert sind.
Sie wohnen zum Beispiel im Wohnheim, aber nicht, weil die Gemeinschaft so toll ist oder die Partys so gut sind. Sie bleiben dort, weil sie jetzt eben dort wohnen. Ein Umzug wäre umständlich, und die Miete ist günstig. Aber dieses Chaos in der Küche ist entsetzlich: kein einheitliches Besteck, kein einheitliches Geschirr. Und dieses ständige Basswummern bis abends um elf, mitten in der Woche! Schwer zu ertragen. Das konnte vor dem Einzug wirklich niemand wissen. Ihre Ehrfurcht vor Studierenden in höheren Semestern ist längst tigungen, wo kann ich Geld sparen – bei all diesen Fragen helfen die Experten des Studierendenwerks, vermitteln Ansprechpartner oder greifen auch schon mal selbst zum Hörer, um bei der Krankenkasse nachzufragen, warum ein bestimmter Antrag nicht bewilligt worden ist.
Ein weiterer Grund für den gestiegenen Beratungsbedarf: Familienfreundlichkeit und Internationalisierung gehören mittlerweile zu den Aushängeschildern der meisten Hochschulen. Viele Dienstleistungen hierfür werden häufig von den Studierendenwerken erbracht. Die verflogen, deren vermeintliche Unfehlbarkeit längst widerlegt. An der eigenen hingegen wird hart gearbeitet.
Denn zu den Zügen der alternden Studierenden gehört auch die Eigenschaft, die halbjährlich ankommenden Erstsemester ins Lächerliche zu ziehen. Zugegeben: Manchmal fällt es leicht, sich zu amüsieren. Wenn ein Uni-Frischling seine ersten Schritte in die große, weite Welt der Selbstständigkeit wagt, kann es zum Beispiel mal vorkommen, dass er laut hörbar fragt, wie man Pesto zubereitet. Leicht halten sich ältere Studierende dann für einen alten, weisen Teil der Studierendengemeinschaft. Störend wird es allerdings, wenn das leichte Schmunzeln in arrogantes Schnauben abgleitet. Eine interessante Form der Vergesslichkeit tritt dann ein. Junior-Senioren scheinen zu glauben, sie seien bei ihrem Studienstart perfekt vorbereitet gewesen.
So scheint auch die Euphorie kurz nach dem Einzug ins Wohnheim, „Hier ist immer was los, wie toll!“, durch das Sieb der Junior-Senioren gefallen zu sein. Eine klassische Alterser
scheinung. Hochschulen wollen beispielsweise mehr Studierende mit Kindern ansprechen und werben außerdem vermehrt Talente aus dem Ausland an. „Wir helfen dann bei der oft komplizierten Kommunikation mit Behörden und Krankenkassen und beraten zum Thema Kinderbetreuung oder Sprachkurse“, sagt Gaby Jungnickel.
Zudem gebe es einen Boom an Studierenden mit Beeinträchtigungen, die derzeit an die Hochschulen streben, also etwa junge Frauen und Männer, die im Rollstuhl sitzen, die eine Hörbehinderung haben oder an einer chronischen Erkrankung leiden. Vor allem die Gruppe der Studierenden mit einer chronischen psychischen Beeinträchtigung sei stark gestiegen. Sie bilde unter den beeinträchtigt Studierenden mittlerweile sogar die größte Gruppe. „Diese Gruppe braucht beispielsweise Informationen über den Nachteilsausgleich, der ihnen unter Umständen zusteht“, so die Psychologin. „Diversity und Inklusion werden an den Hochschulen mittlerweile gelebt. Aber der Beratungsbedarf ist eben dadurch auch sehr hoch.“
Ein großes Thema in der psychologischen Beratung: Stress. Studierende reiben sich auf zwischen Hörsaal und der Finanzierung ihres Studiums. „Die Tagesstruktur lässt sich oft nicht so leicht anpassen. Viele verlieren dann das Ziel und den Sinn des Studiums aus den Augen. Die Motivation ist im Keller – ein Gespräch mit unserem Team an Psychologischen Beratern dient dann der Stärkung und der Suche nach einem Ausweg beziehungsweise dem Setzen neuer Impulse“, sagt Jungnickel. Außerdem seien die Studierenden oft in einem Zwie- spalt: Einerseits werde von ihnen Selbstständigkeit und Eigenverantwortung erwartet, gleichzeitig befänden sie sich in totaler finanzieller Abhängigkeit, vor allem noch vom Elternhaus. „Das löst natürlich auch oft Konflikte aus“, so die Psychologin.
Im Rahmen der riesigen Beratungsnachfrage hat das Kölner Studierendenwerk sein Personal aufgestockt und möchte außerdem neue Angebote machen, die den neuen Anforderungen gerecht werden: In Zukunft sollen Informationsveranstaltungen, Gesprächskreise (nicht psychologischer, sondern lebensunterstützender Art) und vor allem eine „zugehende Beratung“angeboten werden. Hinter diesem Fachbegriff verbirgt sich die Beratung „vor Ort“, also etwa regelmäßige Sprechstunden, die in den großen Wohnheimstandorten stattfinden. Dabei können auch neue Themenfelder erschlossen werden: Die Beratung von Geflüchteten, die in Köln studieren, wird in absehbarer Zeit auch Thema in der Beratungsstelle sein.
Junior-Senioren an der Uni