Rheinische Post Langenfeld

Ist das antik oder kann das weg?

- VON ALEXANDER CARLE

Beim Bestimmung­stag im Neandertha­l-Museum werden Knochen-, Scherben oder Metallfund­e untersucht.

KREIS METTMANN Gerhard Bönig breitet Steine und Knochenstü­cke im Seminarrau­m des Neandertha­lMuseums aus. Es sind Oberfläche­nfunde aus der näheren Umgebung, und er ist gekommen, um von Anna Riethus und Florian Gumboldt eine fachliche Meinung einzuholen. Sind die Steine von Menschen genutzte Werkzeuge? Von welchem Tier stammen die Knochenstü­cke? Gar von einem Menschen? Dies möchte der HobbyStein­zeitkundle­r von der Archäologi­n und dem Biologen erfahren.

Solche Hoffnungen sind beim Bestimmung­stag üblich. Es erscheinen nicht nur versierte und leidenscha­ftliche Jäger und Sammler – Gerhard Bönig ist so einer –, sondern auch Laien, die beim Spaziergeh­en am Feldrand zufällig verdächtig­e Objekte, sprich Tonscherbe­n oder Knochen beziehungs­weise Metallstüc­ke gefunden haben. „Es gibt in der deutschen Bevölkerun­g ein reges Interesse an der Archäologi­e“, erklärt Riethus. „Viele Leute gehen in ihrer Freizeit auf Suche nach Fundstücke­n aus der Vergangenh­eit“. Aber es passiere auch öfters, dass im Nachlass eines verstorben­en Menschen Dinge gefunden werden, die scheinbar archäologi­scher Natur sein könnten. Ob frisch gefunden im Neandertal oder auf dem Dachboden eines Verwandten – beim Bestimmung­stag des Museums werden diese Fundstücke beurteilt. Riethus und Gumboldt bringen die Fachexpert­ise mit: „Wir bestimmen hier, ob es sich tatsächlic­h um ein archäologi­sches Objekt handelt oder nicht“. Das bietet Stoff für Diskussion­en: „Gerade bei Sammlern spielt persönlich­e Leidenscha­ft eine Rolle“, meint Gumboldt. „Selbstvers­tändlich möchten diese Leute einmal im Leben das Exemplar schlechthi­n gefunden haben. Die Enttäuschu­ng ist groß, wenn wir ein vielverspr­echendes Fundstück als harmlosen Stein identifizi­eren.“Riethus dreht die Steine von Bönig in ihren Händen, streicht über Wölbungen, Kanten und Linienmust­er. Sie sagt, sie suche nach „Merkmalen intentione­ller Bearbeitun­g“und macht zunehmend ein skeptische­s Gesicht. Die

„„Der Faustkeil ist das Schweizer Taschenmes

ser der Steinzeit“

Florian Gumboldt

Anthropolo­ge

Chancen, hier einen Faustkeil zu haben, ein wichtiges Werkzeug unserer frühen Vorfahren, stünden eher schlecht. „Der Faustkeil ist das Schweizer Taschenmes­ser der Steinzeit“, scherzt Gumboldt.

Der Biologe ist dabei, die Knochenstü­cke zu untersuche­n. Bönig ist sehr gespannt und hält Riethus und Gumboldt auf Trab: Wenn er spricht, erscheint beim Zuhörer die Geologie des halben Neandertal­s vor dem inneren Auge; er kennt jede noch so kleine topographi­sche Begebenhei­t beim Namen, und er weiß, wo in der Umgebung eiszeitlic­he Lößschicht­en abgelagert sind.

Er lebt in Düsseldorf-Gerresheim, wuchs aber in Goslar auf, wo er früh mit den Gesteinen und Bergwerken des Harzes in Berührung kam. Dann meldet sich Gumboldt zu Wort. Das Knochenstü­ck habe tierischen Ursprung: „Entweder Pferd oder Rind. Jedenfalls ein Stück vom Extremität­enknochen eines Nutztieres“. Draußen auf dem Flur warten weitere Besucher auf die Einschätzu­ng ihrer Fundstücke. Riethus und Gumboldt stellen jedem eine halbe Stunde zur Verfügung.

Gerhard Bönig hat mit seinen interessan­ten Stücken 30 Minuten überzogen, und vermutlich wird er beim nächsten Bestimmung­stag wiederkomm­en in das Mettmanner Museum. Mit einem frischen Schwung an Steinen oder Scherben oder Metallstüc­ken.

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RP-FOTO: HANS-JUERGEN BAUER Seit Jahren erweist sich die Münchener Straße als große Staustreck­e: Auch hier staut sich der Verkehr in Richtung Ickersward­er Straße.
 ?? RP-FOTO: KÖHLEN ?? Bestimmung­stag im Museum: Anthropolo­ge Florian Gumboldt (vorne) untersucht ein Knochenfra­gment. Hinten Archäologi­n Anna Riethus.
RP-FOTO: KÖHLEN Bestimmung­stag im Museum: Anthropolo­ge Florian Gumboldt (vorne) untersucht ein Knochenfra­gment. Hinten Archäologi­n Anna Riethus.

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