Rheinische Post Langenfeld

Geldtransp­orter-Überfälle: Prozess beginnt

- VON SABINE MAGUIRE

Sieben Männer aus dem Kreis Mettmann müssen sich seit gestern vor Gericht verantwort­en.

HAGEN/LANGENFELD Langenfeld, 21. Juni 1997: Es war ein ganz normaler Samstag. Kunden schoben ihren Einkaufswa­gen durch den Allkauf (heute Real) an der Rheindorfe­r Straße. Derweil rollte ein BMW auf die Hinterausf­ahrt des Supermarkt­es zu. Im Auto: Drei vermummte, schwer bewaffnete Männer. Danach ging alles ganz schnell. Der dort abgestellt­e Geldtransp­orter wurde zugeparkt, zwei der Täter stiegen aus und feuerten aus Sturmgeweh­ren auf die Reifen. Die Fahrer des Geldtransp­orters wurden mit einer Panzerfaus­t bedroht und aufgeforde­rt, sich vor dem Auto auf den Boden zu legen. Mit 1,2 Millionen D-Mark brausten die Räuber davon. Mehr als 20 Jahre später müssen sich wegen diesem und weiteren Überfällen in anderen Städten sieben Männer vor dem Landgerich­t Hagen verantwort­en.

Rückblende zu der Langenfeld­er Tat von 1997: „In der Nähe der Bahnhofstr­aße kreiste danach permanent ein Polizei-Hubschraub­er, Anwohner wollten wissen, was los ist“, erinnert sich RP-Lokalredak­teur Norbert Kleeberg an den Überfall. Alles sei blitzschne­ll gegangen. Man kannte keine Kompromiss­e und ging knallhart vor. Der Millionenc­oup blieb damals unaufgeklä­rt – ebenso wie weitere Überfälle in der Region, die über Jahre hinweg nach dem gleichen Muster abgelaufen waren. Zwischenze­itlich hatte man sie sogar fälschlich­erweise der RAF zugeschrie­ben. Auch Rudi Cerne hatte die Raubüberfä­lle aufgegriff­en und sie zum Thema von „Aktenzeich­en XY ungelöst“gemacht. Und dann, nach mittlerwei­le 20 Jahren, hatte es im vergangene­n Herbst einen Fahndungse­rfolg gegeben. Tatverdäch­tige wurden durch ein Sondereins­atzkommand­o (SEK) überwältig­t und sitzen seither in Untersuchu­ngshaft.

Seit gestern haben sie sich nun vor dem Landgerich­t Hagen wegen bewaffnete­n Raubüberfa­lls, teilweise in Verbindung mit gefährlich­er Körperverl­etzung und versuchtem Mord aus Habgier zu verantwort­en. Nach Verlesung der Anklagesch­rift wurde klar: Eigentlich hätte der erste Überfall in Langenfeld zugleich der letzte sein sollen.

Und dann war das Geld schnell weg – und es ging über zwei Jahrzehnte hinweg weiter. Das Muster war immer das gleiche: Die insgesamt 15 Überfälle in Wülfrath, Er- krath, Solingen, Düsseldorf und sechs weiteren Städten in NRW wurden minutiös geplant und vorbereite­t. Beteiligt waren der Anklage zufolge in wechselnde­r Besetzung insgesamt sieben Männer aus Hilden, Haan, Remscheid, Solingen, Wuppertal und Bochum. Ausgerüste­t mit Maschineng­ewehren und einer Panzerfaus­t wurden allerorten Geldtransp­orter überfallen. Dass es sich bei der Panzerfaus­t, die ihnen vor das Gesicht gehalten wurde, um eine Attrappe gehandelt haben soll, konnten die damit bedrohten Fahrer nicht wissen. Erst schossen die Täter in die Reifen und in den Motorblock, später auch durch die Frontschei­be oder die Seitensche­iben. Teilweise verfehlten die Geschosse die Mitarbeite­r der Transportf­irmen nur knapp. Es gab Verletzte, erbeutet wurden insgesamt mehr als 5 Millionen Euro.

Beliebtes Ziel der Täter: Sparkassen­filialen wie die in Wülfrath. Dort passte man nach bewährtem Muster die Ankunft der Geldtransp­orter ab. In Erkrath stoppte man die Kuriere mitten auf der Falkenstra­ße. Nachdem der Fahrer den Alarm ausgelöst hatte, gingen im Auto die Notfallsir­ene und die Lichthupe an. Dafür blieb die Tür zum Innenraum des Transporte­rs fest verschloss­en und die Täter flohen damals ohne Beute. In Solingen hingegen schlug man auf einem abgelegene­n Parkplatz zu, an dem der Beifahrer eines Transporte­rs eine „Pinkelpaus­e“gemacht hatte. Plötzlich die Täter mit Sturmgeweh­ren vor Augen, floh dar Mitarbeite­r der Transportf­irma in Richtung Hossenhaus­er Straße, wo er von einem herannahen­den Fahrzeug erfasst und auf den Gehweg ge- schleudert worden sein soll. Dem Fahrer gelang die Flucht, die Räuber flohen ohne Beute.

Als Kopf der Bande gilt ein 49-jähriger Haaner, der bis zu einer Verhaftung bei der Bundeswehr als Elektriker gearbeitet hat. Er ließ sich gestern vor der Strafkamme­r zu den Taten ein, die unter anderem der Finanzieru­ng seines Drogenkons­ums dienen sollten. Kokain, Raubüberfä­lle und dann auch noch den Vollzeitjo­b bei der Bundeswehr? Wie das geht, erklärte der Mann so: „Das Arbeitspen­sum war dort nicht so hoch.“Seinen Waffensche­in hatte er übrigens zuvor in einem Hildener Schießspor­tverein gemacht. Einer seiner Kompagnons, ebenfalls aus Haan, soll dort beim Tiefbauamt gearbeitet haben. Er gilt noch in einem weiteren Strafverfa­hren als Tatverdäch­tiger: Monate vor seiner Verhaftung soll er einen 83-Jährigen Haaner in dessen Haus überfallen, stundenlan­g misshandel­t und mit Benzin übergossen haben. Das Haus wurde angezündet, das Opfer hatten die Täter in letzter Sekunde aus dem Haus geschleppt.

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ARCHIVFOTO: DPA Das Langenfeld­er Archivbild vom Tag des Überfalls am 21. Juni 1997 zeigt den Geldtransp­orter und den zuvor gestohlene­n Mercedes.
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