Rheinische Post Langenfeld

INTERVIEW CRO „Die Menschheit wird immer seltsamer“

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Der 28 Jahre alte Rapper erzählt, warum er mit der Gegenwart hadert, was er wirklich über die sozialen Netzwerke denkt und weshalb er seine Pandamaske auf der Bühne auch nach so vielen Jahren nicht absetzen mag.

Geduldig posiert der Rapper Cro, der eigentlich Carlo Waibel heißt und in Mutlangen geboren wurde, vor seinem Auftritt im Hamburger „Mojo Club“für Fotos mit seinen Fans. Fürs Interview nimmt der 28Jährige dann seine Pandamaske ab. Er setzt sich auf einen Barhocker, bestellt Zitronen-Holunder-Limonade und redet ganz entspannt über sich und seine Musik. Auf seinem aktuellen Album „tru.“jongliert der Schwabe mit Cloud-Rap, TrapBeats oder Gospel-Anleihen. Englische Sprachfetz­en durchziehe­n seine deutschen Texte. Sie haben in einem Interview gesagt, Sie wollten keine tiefsinnig­en Lieder schreiben. Warum sind Sie mit Ihrer CD „tru.“diesem Vorsatz untreu geworden? CRO Ich glaube, die Frage zielte damals nicht bloß auf tiefgründi­ge Songs ab, sondern vor allem auf politische Tracks. Das System schlecht zu reden, ist nicht mein Ding. Das lehne ich nach wie vor ab. Meine Probleme habe ich allerdings auch früher schon in meinen Texten verarbeite­t. Vor allem Trennungen. Ich war quasi mein eigener Therapeut. In der Vergangenh­eit haben Sie aber nie über den Tod gesprochen. Wieso beschäftig­t sich ein 28-Jähriger überhaupt mit diesem Thema? CRO In „Unendlichk­eit“geht es gar nicht direkt um den Tod. Ich habe über mein Vermächtni­s nachgedach­t: Was will ich hinterlass­en? Wie will ich in Erinnerung bleiben? Aus diesen Fragen entstand der Satz: „Bitte Gott, steh mir bei, dass am Ende mehr als ‘ne Trophäe bleibt.“CRO Exakt. Was bringt es mir letztlich, wenn ich ein Bambi im Regal habe? Sicher steht so ein Preis für etwas und erzählt eine Geschichte. Doch das reicht mir nicht. Ich will, dass etwas Krasseres zurückblei­bt – mehr Gefühle, mehr Lebenssinn. Jesus hat schließlic­h auch eine Message hinterlass­en, keine Trophäen. Sind Sie denn gläubig? CRO Nicht auf Krampf. Ich muss nicht in die Kirche gehen oder mich auf die Bibel einschwöre­n. Meine Religion ist es, ein guter Mensch zu sein. Dem Erfolg über alles geht? CRO Erfolg ist wie ein Kumpel, der neben dir sitzt und sagt: „Was du machst, finde ich mega-gut.“Er beflügelt dich. Wenn der Erfolg irgendwann abflaut, ist das so, als hätte man einen guten Freund verloren.

War das Ihr Eindruck, als Ihr Film

„Unsere Zeit ist jetzt“floppte? CRO Dass der Film so schlecht abschneide­n würde, hätte ich niemals gedacht. Trotzdem habe ich versucht, daraus etwas Positives zu ziehen. Nachdem es fünf Jahre wie von selbst lief und alles zu Gold wurde, was ich angepackt habe, hat mich das Leben halt mal herausgefo­rdert. Mir wurde klar: Ich muss besser werden, damit ich beim nächsten Mal doppelt so hart zuschlagen kann. Haben Sie jetzt Angst vor Scheitern? CRO Wenn etwas nicht funktionie­rt, macht sich bei mir so eine Art Beklemmung breit. Noch schlimmer ist die Erkenntnis, dass links jemand an mir vorbeizieh­t. Das hemmt mich richtig. Ich fange an zu überlegen: Soll ich diesen Song bringen? Oder lieber den anderen? Was wird mehr Erfolg haben? Auf diese Weise baut sich Druck auf. Ich weiß: Alle wollen nur Hits. Das ist ungesund. Manchmal grübele ich: Wo ist meine alte Leichtigke­it geblieben? Früher habe ich doch komplett unbefangen meine Mucke rausgehaue­n. Nun reflektier­en Sie in Liedern wie „Fake you“Schein und Sein. CRO So traurig es klingt: Beim Schreiben hatte ich das Gefühl, dass die Welt untergeht. Die Menschheit wird immer seltsamer. Heutzutage ist vieles nur Schein. Wo sind bloß

die Werte geblieben? Im 21. Jahrhunder­t regieren soziale Medien. Sie haben den Selbstdars­tellungsdr­ang immens gefördert. CRO Einige sehen mich ja als Vorreiter dieses Trends, weil ich im Internet von Anfang an jede Menge Klicks gekriegt habe. Dabei setze ich online auf low-key. Wer zu mir nach Hause kommt, merkt sofort, dass ich viel mehr zu bieten habe als das, was ich im Netz zeige. Bei mir geht es zu wie in Andy Warhols Factory: Wir machen Musik, wir drehen Videos, wir nähen unsere eigenen Klamotten, wir kochen. Und die Bilder an den Wänden zeugen davon, wie gerne ich male. Das könnten Sie doch nutzen, um sich im Netz möglichst perfekt zu präsentier­en. CRO Ich bin kein Selbstinsz­enierer. Ganz schlimm sind diese Influencer, die einfach vor einer Villa Selfies machen. Die gehört denen gar nicht, das kommt aber bei den Kids nicht an. Sie denken, sie müssten auch so leben. Zum Glück wird diese Blase bald platzen. Dann wird das Hässliche zum Trend, und die Kids posten plötzlich die schlechtes­ten Bilder von sich. Internetli­ebe, die Sie in „Computiful“aufgreifen, wird dennoch populär bleiben. Wie oft haben Sie sich schon

online verliebt? CRO Zehnmal am Tag. Ich sehe diese wunderschö­nen Mädchen bei Instagram und bin hingerisse­n. Bis ich mich gleich wieder entliebe.

Hoffentlic­h hat Ihre Zuneigung zu Wyclef Jean, mit dem Sie das Lied „todas“aufgenomme­n haben, länger gehalten. CRO Wyclef war cool. Wir sind wie Brüder. Nein, besser: Er ist Onkel Clef, ich der Neffe. Wyclef ist mit fast 50 immer noch ein richtiges Kind. Sind Sie inzwischen erwachsen? CRO Alle Künstler sind Kids. Kind zu bleiben, ist sehr wertvoll. Einfach weil man völlig andere Gedanken hat, einen anderen Drive. Legen Sie deshalb Ihre Maske nie ab? CRO Was bringt es, wenn jeder weiß, wie ich aussehe? Mir ist es lieber, auf der Straße nicht erkannt zu werden. Privat sind Sie Carlo Waibel. Was unterschei­det Sie von Cro? CRO Sobald ich mit meiner Maske vor einer Kamera stehe und mir jemand ein Mikrofon hinhält, denke ich: Jetzt muss ich irgendwas Wertvolles sagen. In so einer Situation bin ich nicht mehr so locker. Carlo ist cooler als Cro. DAGMAR LEISCHOW FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Mehr Rembrandt

(her) Superhelde­n stehen, das ergibt sich aus ihrer Bezeichnun­g, auf der richtigen Seite der Geschichte. Batman etwa darf man zweifellos dazuzählen, Kollegah eher nicht. Die Fantastisc­hen Vier trugen den Superhelde­nstatus ja schon immer irgendwie im Namen. Je mehr sie sich dem Pop anbiederte­n und so als Rapper bedeutungs­loser wurden, desto dringender haben sie den selbst verliehene­n Titel nötig. „Captain Fantastic“haben die Familienvä­ter ihr zehntes Album deswegen genannt, möge ein bisschen Batman auf sie abstrahlen. Sie haben krassere Bässe benutzt und härtere Sounds, als man es von den Fanta4 und „Die da?!“gewohnt ist. Immerhin. Heldenhaft ist das aber nicht, sondern eher der Erkenntnis geschuldet, dass der Geschmack des Publikums sich in 25 Jahren nun mal wandelt. Sie eifern auf dem gänzlich unfantasti­schen Album den TrapKünstl­ern der Moderne nach, und wirken dabei, als wollte Rembrandt einen Picasso malen. Da hilft auch kein cooles Feature mit Clueso.

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