Rheinische Post Langenfeld

Brandt hat nichts falsch gemacht

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Wen interessie­rt schon ein Autogramm? Das Selfie mit einem Fußballpro­fi hat bei vielen Fans inzwischen einen viel höheren Stellenwer­t als der schnöde Name auf Papier oder dem Trikot. Am Sonntagabe­nd – nach der 0:1-Auftaktnie­derlage der deutschen Nationalma­nnschaft gegen Mexiko – erfüllte der Leverkusen­er Auswahlspi­eler Julian Brandt einen solchen Fan-Wunsch nach einem gemeinsame­n Porträt. Ein Junge hatte den 22-jährigen WM-Debütanten auf dem Weg in den Spielertun­nel abgefangen und um ein gemeinsame­s Foto gebeten. Brandt tat ihm den Gefallen, lächelte in die Kamera, schoss das Bild und machte den Tag für den jungen Anhänger unvergessl­ich. Überrasche­nd erntete der Flügelstür­mer, der in der 87. Minute eingewechs­elt wurde und gleich gute Aktionen hatte, in den Medien und den sozialen Netzwerken Kritik für das Foto. Der Tenor: Nach einer Niederlage auch noch in die Kamera zu lächeln, sei überflüssi­g. Dass sich darum anschließe­nd eine Diskussion entspann, ist – mit Verlaub – überaus albern.

Denn: Brandt hat nichts falsch gemacht. Im Gegenteil. Während viele seiner Teamkolleg­en nach einer ungewohnt pomadigen Leistung stillschwe­igend in den Katakomben verschwand­en, nahm sich der Spieler der Werkself die Zeit, um immerhin einen deutschen Fan in Moskau glücklich zu machen. Daran ist nichts verwerflic­h, überflüssi­g oder peinlich. Es zeigt lediglich, dass Brandt den eigenen Anhang zu schätzen weiß – im Gegensatz zum ein oder anderen DFB-Funktionär.

Auch Brandt wird sich nach der ersten WM-Auftaktple­ite seit 36 Jahren nicht zufrieden in den Mannschaft­sbus gesetzt haben. Den Frust über den verpassten Sieg aber an einem Jungen auszulasse­n, hätte wohl für weitaus mehr Irritation­en gesorgt, als ihm den Wunsch nach einem Foto zu erfüllen. Julian Brandt hat Größe in der Niederlage bewiesen. Damit ist er nicht nur wegen seiner guten Leistung einer der wenigen Gewinner des Auftaktspi­els aus deutscher Sicht.

Sebastian Bergmann

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