Rheinische Post Langenfeld

Das ist der Schöpfer des Monheimer Geysirs

- VON BERTRAM MÜLLER

Künstler Thomas Stricker hat mit vielen Projekten in der Region für Aufsehen gesorgt. Auch internatio­nal ist er sehr gefragt.

DÜSSELDORF/MONHEIM Sein Geysir hat für den Aufreger dieses Frühlings in Monheim gesorgt: Thomas Stricker, in Düsseldorf lebender Künstler aus der Schweiz, soll für den neuen Kreisverke­hr Rheinprome­nade/Krischerst­raße eine Fontäne schaffen, die einmal wöchentlic­h bis zu zwölf Meter in die Höhe schießt. 415.000 Euro lässt sich die Stadt das umstritten­e Kunstwerk an noch umstritten­erem Ort kosten. Wer ist der Mann, dessen Geysir die Gemüter in Monheim erhitzt?

Der Schweizer kam als junger Mann ins damals noch schmutzige Ruhrgebiet. In St. Gallen hatte er 1983 eine Lehre als Elektromec­haniker gemacht, jetzt wollte er sich drei Träume erfüllen: einerseits die Schwerindu­strie am eigenen Leibe erfahren, anderersei­ts ein Kunststudi­um aufnehmen und drittens das eine mit dem anderen verbinden.

Drei Jahre lang schuftete er in einem Oberhausen­er Stahlwerk. Als die Düsseldorf­er Kunstakade­mie ihn aufnahm, setzte er den Job als Nebenjob fort – nicht nur um sein Studium zu finanziere­n, sondern auch weil die Arbeit in der Industrie ihn fesselte: „Das war ein skulptural­es Erlebnis, wenn am Hochofen riesige Mengen von flüssigem Roheisen ausgegosse­n wurden.“

Die glühende Bramme, dieser Block aus gegossenem Stahl, so sagt Stricker, sei ihm wie ein Sonnenaufg­ang erschienen. Damals habe er eine Vorstellun­g davon bekommen, was der Mensch alles zuwege bringt.

Davon ist Stricker noch heute fasziniert, ebenso aber davon, was der Mensch alles nicht schafft, wo er die Natur nicht bezwingt, sondern sich ihr geschlagen geben muss. Den ersten Fall bezeugt seine Installati­on „Himmel oben, Himmel unten“, die Ausgestalt­ung des neuen Düsseldorf­er U-Bahnhofs Benrather Straße zu einem Raumschiff. Dort entsteht durch Schrägen und mehrere Video-Fenster der Eindruck, als durchmesse man auf der Rolltreppe einen Raumtransp­orter, aus dem man ins All blickt. Erde und Mond, Mars, Jupiter und Sonne ziehen draußen vorbei. Stricker wollte die Weite des Alls in den „Angstraum“U-Bahn-Station versetzen: „Ich wollte das Oben nach unten holen, um der Enge zu begegnen.“Ein Stück Poesie ist entstanden, in dem der Mensch seine Kräfte offenbart.

Der zweite Fall erhellt das Gegenteil, zeigt den Menschen als Ausgeliefe­rten. Wie „Himmel oben, Him- mel unten“in Düsseldorf ist auch „permanent lightning“in Grevenbroi­ch eine aus einem Wettbewerb hervorgega­ngene Auftragsar­beit. Stricker erzählt all das in seinem Atelier in einem Hinterhof nahe dem Düsseldorf­er Schillerpl­atz, sieben U-Bahn-Minuten von seinem Raumschiff entfernt. In einer Ecke türmen sich Stelen, aus denen formal an die Natur angelehnte Skulpturen aus Beton gegossen werden. Mit Kiefern und Wacholders­träuchern sollen sie im Innenhof des neuen Bundesarch­ivs in Berlin eine „Gedächtnis­landschaft“bilden.

Stricker ist ein Künstler des öffentlich­en Raums. Das erwies sich gleich nach seinem Studium, als er dank eines Graduierte­nstipendiu­ms in die Mongolei zog, um Material für den Inhalt einer Installati­on zu sammeln. Das Ergebnis trägt den Titel „108 Fragen an die Nomadin mit dem Gewehr“, eine Skulptur aus gestapelte­n Wachsplatt­en, die in Blindensch­rift einen Text Strickers über die Mongolei tragen. Was ist fest, was flüssig, was zieht weiter – um solche Fragen geht es dabei.

Eine Installati­on, die er für seine schweizeri­sche Heimat entwarf, nennt er eine „Schlüssela­rbeit“. Vor einer Schule für behinderte Kinder pflanzte er eine Kastanie, die in ihrer Krone eine „kosmische Last“zu tragen scheint – ein lebendiges Bild der Andersarti­gkeit, dessen Kern im Frühjahr und im Sommer unter dem Blätterkle­id verschwind­et. Solche Prozesse gefallen dem Künstler.

Als „Herzenspro­jekt“gilt ihm ein Schulgarte­n, den er seit elf Jahren in einem Township in Namibia anlegt. Da geht es nicht nur um Symbolik, sondern um Lebenshilf­e. Auf dem Schulgelän­de entstehen Gärten, dazu eine Gartenküch­e, neue Klassenräu­me und ein Heim für Kinder, die auf sich selbst gestellt sind.

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