Rheinische Post Langenfeld

Le Mans: Bergmeiste­r ist der Marathon-Mann

- VON MICHAEL DEUTZMANN

Bei den 24 Stunden durfte der Langenfeld­er erst zusehen. Dann begann ein knüppelhar­ter Arbeitstag, der Platz sieben brachte.

LE MANS/LANGENFELD Dieses Rennen gönnt normalerwe­ise keinem eine Atempause und verzeiht keine Fehler. Wer die 24 Stunden von Le Mans in Frankreich bewältigen will, muss sowieso ein Nachtmensc­h sein. Besonders viel Schlaf gibt es nicht. Das alles wusste Jörg Bergmeiste­r natürlich, weil er seit 2002 schon 15 Mal dabei war. Mit 42 Jahren gehört der Porsche-Werksfahre­r auch zu den etablierte­n Größen der Branche. Manches war jetzt trotzdem neu – weil sein deutsches Team „Project 1“aus Lohne zum ersten Mal in der Langstreck­en-Weltmeiste­rschaft startet und entspreche­nd die Le Mans-Premiere hatte. Deshalb gab es diese Strategie für den Einsatz der Fahrer: Erst Egidio Perfetti, der Norweger, dann Patrick Lindsey, der US-Amerikaner, dann Bergmeiste­r, der Deutsche. Die ersten vier Stunden teilten sich Perfetti und Lindsey. „Da habe ich nur zugeschaut“, berichtet Bergmeiste­r, der fortan nahezu pausenlos im Auto saß – wie am Ende, als der Porsche 911 RSR auf Rang sieben über die Ziellinie raste.

„Ich war froh, als wir es geschafft hatten“, sagt der Langenfeld­er, „das war richtig anstrengen­d.“In der Addition der Einsatzzei­ten kam er ab etwa 19 Uhr am Samstagabe­nd bis 15 Uhr am Sonntagnac­hmittag auf etwas mehr als neuneinhal­b Stunden – jeweils bei höchstem Tempo und maximaler Konzentrat­ion. Als es längst dunkel war in Frankreich, stellte Bergmeiste­r mit 3:53,306 Minuten für die 13,629 Kilometer seinen persönlich­en Rekord auf. Der Computer führte den Porsche mit der Startnumme­r 56 in dieser Runde mit einer Geschwindi­gkeit von 210,3 Stundenkil­ometern. Insgesamt legten die drei Fahrer 332 Runden in 24 Stunden zurück, unter dem Strich also 4542,828 Kilometer. Pro Stunde errechnet sich daraus ein Mittel von 188,53 Kilometern – worin alle Routine-Boxenstopp­s für Fahrerwech­sel, Reifenwech­sel oder Tanken enthalten sind.

Der Start lief fürs Project-Team nach Platz fünf aus dem Qualifying gut, denn nach einem turbulente­n Auftakt lag der gut 500 PS starke Dienstwage­n zunächst auf Platz zwei in der Kategorie LM GTE Am. Ein Problem mit den Bremsen kostete zum ersten Mal Zeit – und es ging von Rang sieben aus weiter. Weil der Porsche durchgehen­d eines der schnellste­n Autos im Feld war, lag am anderen Morgen weiter das Podest im Bereich des Möglichen. 90 Minuten vor dem Ende hoffte Bergmeiste­r als Vierter immer noch – bis ihn erneut die Technik im Stich ließ und ein weiterer Boxen-Besuch mit entspreche­ndem Zeitverlus­t nötig wurde. „Ohne diesen Stopp wäre mehr drin gewesen“, sagt Bergmeiste­r, „ich hätte mit dem Podium geliebäuge­lt.“

Fazit: Kein grenzenlos­er Frust, aber auch keine überschäum­ende Begeisteru­ng. „Natürlich bin ich mit dem Ergebnis nicht ganz glücklich, aber das Fahren hat richtig Spaß gemacht und Le Mans war wie immer sehr beeindruck­end.“Die ProjectMan­nschaft, für die erste WEC-Saison 2018 ein großes Abenteuer ist, lobte er für Herz, Leidenscha­ft und großen Einsatz: „Das Team hat Fortschrit­te gemacht, es geht definitiv in die richtige Richtung. Und es ist gut, dass wir zu Ende gefahren sind.“In Le Mans die Zielflagge zu sehen, war für viele die Erfüllung eines großen Traums – in einem Rennen, das normalerwe­ise keinem eine Atempause gönnt und keine Fehler verzeiht.

Nach Platz neun vom Saisonstar­t in Spa-Francorcha­mps (Belgien) und Rang sieben von Le Mans wartet die nächste Herausford­erung am 19. August in Silverston­e (England). Dieses Rennen dauert wieder – wie die meisten in der WEC – „nur“sechs Stunden. Langeweile wird aber selbst für den Nachtmensc­hen Bergmeiste­r nicht aufkommen. In seinen Augen darf es dann dringend ein Platz unter den ersten drei sein.

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