„Wir haben eine ernste Lage“
Der NRW-Ministerpräsident über den Asyl-Streit mit der CSU, die Finanzpolitik des Landes und eigene Fehler im ersten Regierungsjahr.
DÜSSELDORF Der Ministerpräsident ist guter Stimmung, als er zum Interview in der Redaktion erscheint. Und gut gekleidet dazu – Koalitionskrise im Bund und Wirbel um das Polizeigesetz im Land lassen ihm offenbar noch Zeit, um auf ein besonderes Stil-Detail zu achten: blaue Socken zum blauen Anzug.
Herr Laschet, wenn eine Kanzlerin im Asyl-Streit öffentlich mit der Richtlinienkompetenz wedeln muss – ist das der Anfang vom Ende der Ära Merkel?
Laschet Nein. Man erinnert daran, wie die Verfassungslage ist.
Gibt es aus Ihrer Sicht noch eine gesichtswahrende Lösung für beide Seiten?
Laschet Wir haben eine ernste Lage, keine Frage. Aber ich wundere mich, dass hier ein Thema eskaliert und in getrennten Sitzungen von CDU und CSU beraten wird, das in sechs Monaten Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen weder bei Jamaika noch bei der großen Koalition für die CSU irgendeine Rolle gespielt hat.
Der Wunsch der CSU nach mehr Zurückweisungen an der Grenze war nie ein Thema?
Laschet Nein. Insofern kam es etwas überraschend. Und jetzt wird versucht, in aller Schnelle selbst dieses Thema zu lösen.
Was ist daran falsch, wenn Asylbewerber, die bereits in sicheren Drittstaaten registriert wurden, eben nicht mehr nach Deutschland einreisen dürfen?
Laschet Nichts, aber eine solche Frage sollte man nicht im nationalen Alleingang zu lösen versuchen. Ein Prinzip deutscher Europapolitik war stets, dass man Maßnahmen mit den Partnerländern abstimmt. Meine Sorge ist, wenn man einseitig zulasten anderer Länder jetzt Politik machen will, dass am Ende das Chaos größer wird. Wenn wir jeden an der deutschen Grenze abweisen, der in einem anderen EU-Land registriert wurde, werden sich die Länder an den Außengrenzen fragen, warum sie registrieren sollten. Wir dürfen diese Länder nicht alleinlassen – wir brauchen keine Lösung gegen sie, sondern mit ihnen. Deshalb ist es klug, sich mit Italien, Griechenland, Bulgarien und anderen mindestens abzustimmen. Und wenn andere Länder mitmachen: umso besser.
War das Offenhalten der Grenzen 2015 kein nationaler Alleingang? Laschet Nein, das war eine humanitäre Ausnahmesituation, in der die Bundeskanzlerin in Abstimmung mit dem ungarischen Präsidenten und dem österreichischen Bundeskanzler entschieden hat. Und sie hat richtig entschieden.
Wie groß sind die Chancen, dass es eine EU-Lösung gibt?
Laschet Ich halte die Chance für gut, da alle wissen, was für ganz Europa auf dem Spiel steht.
Bayerns Ministerpräsident Söder sagt, diese bilateralen Abkommen dürfen keinen Cent mehr kosten. Laschet Natürlich muss ganz Europa Italien und den anderen Ländern an den Außengrenzen bei dieser schwierigen Aufgabe helfen. Und natürlich wird das auch Geld kosten. Das ist Konsens auch mit den Osteuropäern, mit Ungarn und auch Österreich. Halten Sie einen Bruch zwischen CDU und CSU für ausgeschlossen? Laschet Wir haben schon einmal erlebt, dass Franz Josef Strauß in einem Drei-Parteien-System überlegt hat, ob wir getrennt antreten. Und er hat die Idee nach vier Wochen wieder verworfen. Ich finde aber, dass es in einem überall in Europa zerfallenden Parteiensystem ein großer Vorteil für Deutschland war, dass CDU und CSU zusammenbleiben. Man muss alles dafür tun, dass das so bleibt.
Hat die CDU einen Plan B, wenn die CSU aussteigt?
Laschet Ich wünsche mir, dass es nicht so weit kommt.
Wenn es zum Schwur kommt und die Kanzlerin im Juli gar nicht mehr die Kanzlerin ist, welche Rol- le spielt dann Armin Laschet? Laschet Ich gehe davon aus, dass sie Kanzlerin bleibt.
Sie haben keinen Plan B für ein solches Szenario?
Laschet Nein.
Schließen Sie eine Karriere in Berlin aus?
Laschet Die Frage steht nicht an. Ich möchte dieses große Land Nordrhein-Westfalen gut regieren.
Hat die Kanzlerin in den letzten Tagen Autorität verloren?
Laschet Nein. Viele teilen ihre Position. Die Vorgehensweise der letzten Wochen hat die CDU eher zusammengeschweißt.
In NRW löst Ihr neues Polizeigesetz viel Kritik aus. Experten haben ver- fassungsrechtliche Bedenken. Warum brauchte es erst eine FDP, um Korrekturbereitschaft zu erzeugen? Laschet Wir haben als Regierung, CDU und FDP, einen Gesetzentwurf beim Landtag eingebracht. Und ich finde es richtig, dass, wenn eine Expertenanhörung stattfindet, man die auch ernst nimmt. Am Ende der Debatte wird ein gutes und verfassungsfestes Gesetz stehen, das unsere Polizei stärkt und Sicherheit und Freiheit in guter Balance hält.
Sie haben der Vorgängerregierung immer mangelnden Sparwillen vorgeworfen.Wo sind Ihre Vorschläge?
Laschet Es gibt in jedem Haus Förderprogramme, die man streicht, verändert und in der Bürokratie auch personell einspart. Wir wollen die Ministerialbürokratie am Ende der Legislaturperiode schlanker gemacht haben, gleichzeitig aber mehr bei Lehrern und Polizei investiert haben.
Sie haben eine geringere Belastung bei der Grunderwerbsteuer versprochen. Wann halten Sie das ein? Laschet Die Initiative im Bundesrat ist eingebracht. Wir wollen erreichen, dass der Bund uns die Möglichkeit gibt, bei der Grunderwerbsteuer Freibeträge insbesondere für Familien einzuführen. Ich hoffe, da tut sich was!
Ihr erstes Amtsjahr war von Personalproblemen geprägt. Zuletzt trat Agrarministerin Schulze Föcking zurück, und bald muss der Regierungssprecher sich in einem Untersuchungsausschuss erklären. Brauchen Sie einen Personalberater? Laschet Nein.
Wenn Frau Schulze Föcking nicht von allein zurückgetreten wäre, wäre sie dann noch im Amt? Laschet Ja, sicher.
Welche Fehler hat sie gemacht? Laschet Als sie von der Staatsanwaltschaft den Hinweis bekommen hat, dass vermutlich kein Hackerangriff vorlag, sondern ein Bedienungsfehler, hätte sie denen, die ihre Solidarität bekundet hatten, das zumindest mit einem informellen Hinweis auch mitteilen sollen. Das hat sie bedauert, ich bedaure es auch.
Welchen Fehler hat Armin Laschet im ersten Regierungsjahr gemacht? Laschet Jeder Mensch macht Fehler. Schwer zu sagen.