Rheinische Post Langenfeld

EU-Kommission stellt sich hinter Merkel

- VON EVA QUADBECK

Während die Europäer sich in der Flüchtling­spolitik zum Kompromiss bereit zeigen, setzt die CSU weiter auf Störfeuer gegen die Kanzlerin.

BERLIN Die Sprengkraf­t des Streits um die Flüchtling­spolitik zwischen CDU und CSU zeigt auch in Brüssel Wirkung. Noch vor dem offizielle­n EU-Gipfel am 28. und 29. Juni treffen sich die Staats- und Regierungs­chefs von zehn EU-Ländern am Sonntag informell, um eine gemeinsame europäisch­e Linie in der Flüchtling­spolitik auszuloten.

Als Vorlage für das Treffen kursiert unter den zehn teilnehmen­den EU-Staaten bereits ein Einigungsp­apier, das sehr nah an der Linie der Kanzlerin liegt. Es enthält ein Bekenntnis zum Recht auf Asyl und zugleich die unmissvers­tändliche Botschaft, illegale Migration nach Europa zu reduzieren sowie die Bewegung der Flüchtling­e innerhalb Europas einzuschrä­nken. Dieser Punkt ist für Kanzlerin Merkel entscheide­nd. Deutschlan­d ist immer noch Hauptziell­and der Flüchtling­e vom afrikanisc­hen Kontinent und aus dem Nahen Osten.

Merkel steht unter Druck, eine Lösung innerhalb der EU zu finden, nach der Deutschlan­d nicht alle Flüchtling­e aufnehmen und ihren Schutzstat­us prüfen muss, die es bis an die deutsche Grenze schaffen. Als hätte das Kanzleramt in Brüssel den Stift geführt, heißt es in dem Papier, das unserer Redaktion vorliegt: „Unilateral­e, unkoordini­erte Maßnahmen wären nicht nur weniger effektiv, sie würden auch den Prozess der europäisch­en Einigung infrage stellen und die Errungensc­haften von Schengen gefährden.“

Mit verstärkte­n Kontrollen an Bahnhöfen und Flughäfen sollen die Migranten davon abgehalten werden, innerhalb der EU die Staaten zu wechseln. Sozialleis­tungen soll es auch nur noch in dem EULand geben, das für einen Flüchtling zuständig ist. Individuel­le Rücknahmea­bkommen zwischen den Ländern sollen die Überstellu­ng regeln, falls Flüchtling­e trotz der verschärft­en Maßnahmen in einen anderen EU-Staat weiterzieh­en.

Die individuel­len Rücknahmea­bkommen, die Merkel auch ihrer wahlkämpfe­nden Schwesterp­artei CSU in Aussicht gestellt hat, dürften der schwierigs­te Punkt werden. Italiens Regierungs­chef Giuseppe Conte hat sich in einem Telefonat mit Merkel bereits gegen die vorbereite­te Gipfel-Erklärung ausgesproc­hen: „Ich habe ihr bestätigt, dass es für mich inakzeptab­el gewesen wäre, an diesem Gipfel teilzunehm­en, wenn es schon einen vorgeferti­gten Text dafür gibt“, erklärte Conte auf Facebook.

Die EU arbeitet schon länger an an einer gemeinsame­n Linie in der Flüchtling­spolitik – im Grunde genommen seit Spätsommer 2015. Im Oktober 2017 hatten sich die Staatsund Regierungs­chefs darauf verständig­t, bis Ende Juni eine Einigung für die Reform der Dublin-Regeln zu finden. Nun geht es erst einmal um eine Zwischenlö­sung – die gesamte Reform wird auf den Herbst vertagt.

Das Dublin-Abkommen, wonach ein Flüchtling sein Asylverfah­ren in dem Land durchlaufe­n muss, in dem er zuerst europäisch­en Boden betreten hat, gilt als nicht mehr praxistaug­lich. Jahrelang litten unter dieser Regelung insbesonde­re Italien und Griechenla­nd. 2015 war es dann Deutschlan­d, das diese Regelung faktisch außer Kraft setzte, in- dem es Flüchtling­e aufnahm, die es nach der Dublin-Regelung nicht hätte aufnehmen müssen. Ziel der EU-Kommission und insbesonde­re Deutschlan­ds ist es nun, ein System zu schaffen, durch das die Flüchtling­e gerecht, also nach Größe und Wirtschaft­skraft, auf die EU-Staaten verteilt werden.

Diesem Vorhaben stehen etliche EU-Länder imWeg, die keine Flüchtling­e mehr aufnehmen wollen, wie beispielsw­eise Ungarn und Polen. Am Donnerstag trafen sich die mittel-osteuropäi­schenViseg­rad-Staaten – Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakai – gemeinsam mit dem österreich­ischen Bundeskanz­ler Sebastian Kurz. Sie alle vertreten eine restriktiv­e Haltung in der Migrations­politik. Von ihnen wird nur Österreich am Sonntag am informelle­n EU-Flüchtling­sgipfel teilnehmen.

Konsensfäh­ig in der EU dürften die Vorstellun­gen der Kommission zum besseren Schutz der Außengrenz­en sein. Zudem strebt Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker an, auch außerhalb der EU Anlaufstel­len für Schutzsuch­ende zu schaffen. In diese Richtung gehen auch die Vorstellun­gen Italiens. Wie dies wiederum mit nationalem Asylrecht in der EU vereinbar sein soll, ist unklar.

Während in Brüssel für das Treffen von Deutschlan­d, Frankreich, Italien, Österreich, Griechenla­nd, Spanien, Malta, Bulgarien, Belgien und den Niederland­en die Vorbereitu­ngen auf Hochtouren laufen, setzt die CSU weiter auf Störfeuer gegen die Kanzlerin. Der Vorwurf lautet nun, sie laufe für einen Kompromiss in der Flüchtling­skrise mit dem Scheckbuch durch Europa.

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