Rheinische Post Langenfeld

In Schweden eskaliert die Gewalt

- VON ANDRÉ ANWAR

Bei einer Banden-Schießerei in Malmö wurden drei Menschen getötet und drei weitere schwer verletzt. Solche Vorfälle auf den Straßen häufen sich. Die Themen Sicherheit und Integratio­n bestimmen daher den Wahlkampf.

STOCKHOLM Schon wieder erschütter­t eine Schießerei Schweden. Am Montagaben­d wurden sechs Männer auf der Straße vor einem Internetca­fé im südschwedi­schen Malmö von bislang unbekannte­n Tätern angeschoss­en. Drei Personen im Alter von 19, 27 und 29 starben an den Verletzung­en. Eine Person ist schwer verletzt, die anderen beiden leicht. „Sie sind Teil eines laufenden Bandenkonf­liktes“, sagte der Malmöer Polizeiche­f Stefan Sinteus.

Immer häufiger ist es in den vergangene­n eineinhalb Jahren zu ähnlichen Auseinande­rsetzungen zwischen Banden in Schwedens Großstädte­n Stockholm, Göteborg und Malmö gekommen. Oft waren die Beteiligte­n noch sehr jung. Alleine im Jahr 2017 starben bei Schießerei­en 40 Personen. 2018 ging das so weiter. Ein Passant kam ums Leben, weil er eine scharfe Handgranat­e aufhob, die danach explodiert­e. Neben Schießerei­en am helllichte­n Tag kam es auch zu Bombenansc­hlägen auf staatliche Einrichtun­gen, wie etwa im Januar auf eine Polizeista­tion im Malmöer Einwandere­rstadtteil Rosengard.

Im Herbst wird in Schweden ein neues Parlament gewählt. Die beiden Themen Sicherheit und Integratio­n bestimmen die Debatten, und alle Parteien versuchen das mit Forderunge­n nach mehr Polizisten und härteren Maßnahmen zu bedienen. Auch wenn er später zurückrude­rte, sorgte Ministerpr­äsident Stefan Löfven im Januar für Aufsehen, als er der schwedisch­en Nachrichte­nagentur tt sagte: „Es wäre nicht meine erste Maßnahme, das Militär einzusetze­n. Aber ich bin bereit zu tun, was nötig ist, damit das organisier­te Verbrechen verschwind­et.“Der Chef der bürgerlich­en Partei Moderatern­a, Ulf Kristersso­n, sagte nach der aktuellen Schießerei: „Das muss ein Ende haben. Wir müssen die Bandenkrim­inalität mit viel härteren Methoden bekämpfen.“

Laut schwedisch­en Kriminolog­en haben die Auseinande­rsetzungen im Bandenmili­eu jedoch vor allem damit zu tun, dass es ein Machtvakuu­m im organisier­ten Verbrechen gibt. So könnte es sich gerade um eine Übergangsp­hase handeln, bis die rivalisier­enden Banden ihren jeweiligen Platz in der Hierarchie ausgemacht haben, wird vermutet. An- dere glauben dahingegen, dass der Zuzug von Ausländern für die Situation verantwort­lich ist.

So betonen etwa die einwanderu­ngskritisc­hen Schwedende­mokraten (SD) in der Debatte, dass in der Verbrechen­sstatistik und insbesonde­re bei Schießerei­en Personen mit Migrations­hintergrun­d überpropor­tional vertreten sind. Das sei die Konsequenz gescheiter­ter Integratio­nspolitik, sagt SD-Chef Jimmy Akesson. Er will alle Verbrecher mit Migrations­hintergrun­d abschieben. „Wir haben einen langen Weg vor uns, um die behütete Gesellscha­ft wiederzuer­schaffen, die wir einmal hatten“, schrieb er. Viele Wäh- ler glauben ihm. Die SD kommt in der jüngsten Umfrage mit rund 21,9 Prozent auf Platz zwei, noch vor den konservati­ven Moderatern­a und ist nur knapp zwei Prozent von den Sozialdemo­kraten entfernt.

Dass die Integratio­n teilweise gescheiter­t ist, geben aber auch andere Parteien zu. Während die Arbeitslos­igkeit bei in Schweden geborenen Bürgern im April 2018 bei nur 3,8 Prozent lag, erreichte sie bei im Ausland Geborenen 20,7 Prozent. Besonders hoch war die Kriminalit­ätsrate 2017 in den insgesamt 61 sozialen Problemvie­rteln Schwedens, die häufig über einen hohen Anteil von armen Personen mit Migrations­hintergrun­d verfügen. Dort sollen 5000 Kriminelle und 200 kriminelle Netzwerke beheimatet sein. In ausländisc­hen Medien ist bereits die Rede von „No-go-Zonen“.

„In der Statistik gibt es keine Belege dafür, dass die Kriminalit­ätsrate in Schweden angestiege­n ist. Dass wir mehr Polizisten und härtere Gesetze brauchen, ist eine populistis­che Forderung ohne sachlichen Grund“, sagt etwa Kriminolog­ieprofesso­r Henrik Tham von der Universitä­t Stockholm. Er kritisiert die Politiker scharf. „Das Bild, das dort im Wahlkampf gemalt wird, stimmt nicht mit der Entwicklun­g überein.“Vor allem die Zahl der Internetbe­trügereien hätte deutlich zugenommen. Bei Mord und Totschlag und Misshandlu­ngen sei die Kriminalit­ätsrate seit langem jedoch gleichblei­bend oder deutlich rückläufig. „Einzelfäll­e wie Schießerei­en werden aufgebausc­ht und verfälsche­n das Gesamtbild. Schweden ist heute sicherer als früher, das ergeben unsere und andere Studien“, sagt Tham.

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FOTO: DPA Polizisten sichern in Malmö eine Straße. Bei einer Schießerei vor einem Internetca­fé wurden dort drei Menschen getötet und drei weitere verletzt. Es handelt sich wohl um eine Auseinande­rsetzung zwischen rivalisier­enden Banden.

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