Rheinische Post Langenfeld

Schwedens Ausnahmesp­ieler

- VON JESSICA BALLEER

ANALYSE Der schwedisch­e Nationalsp­ieler Gustav Svensson (31) ist der erste und einzige WM-Profi, der die Politik in Russland und Präsident Wladimir Putin öffentlich kritisiert. Seine Karriere und Einstellun­g zum Fußball sind bemerkensw­ert.

DÜSSELDORF Gustav Svensson ist der absolute Ausnahmesp­ieler der schwedisch­en Nationalma­nnschaft. Ein Fußballpro­fi, zu dem man Nationaltr­ainer Janne Andersson eigentlich nur beglückwün­schen kann. Nicht, weil Svensson auf dem Spielfeld Großartige­s vollbringe­n würde. Der 31-Jährige, solider Mittelfeld­spieler des US-amerikanis­chen Klubs Seattle Sounders, hätte vor einigen Monaten vermutlich selbst nicht damit gerechnet, in Russland sein WM-Debüt feiern zu dürfen. Gustav Svensson ist ein weitgereis­ter Veteran. Ein Unikat.

Svensson wechselte 2017 von seinem damaligen chinesisch­en Klub in Ghuangzhou zu den Seattle Sounders. Als er den Vertrag unterschri­eb, war das wie ein stilles Einverstän­dnis, dass sich seine Karriere als Fußballpro­fi dem Ende zuneigt, er in die Zielgerade eingebogen ist. Svensson spielte bereits in der schwedisch­en Heimat, für einen Klub in der Türkei, in der Ukraine und in China. Gerade einmal zwölf Einsätze hatte er bis zurWM für Schwedens Nationalma­nnschaft auf dem Konto. Doch überrasche­nd bekam er das Ticket für den WM-Kader 2018. Neun Minuten Einsatzzei­t gewährte ihm Coach Andersson, als die Schweden ihr Auftaktspi­el gegen Südkorea 1:0 gewannen. Der Kurzeinsat­z auf dem Rasen geriet in den Hintergrun­d, weil Svensson vor allem mit klugen Gedanken herausstic­ht.

„Sieht man es politisch, war es ein schrecklic­hes Fehlverhal­ten, dass man mit Macht und Militär dort ein- marschiert und das übernimmt, von dem man behauptet, es sei sein Eigentum“, sagte der 31-Jährige über Russlands Einmarsch 2014 in die Ukraine. „Eine Großmacht schlägt auf eine kleinere ein – es ist doch selbstvers­tändlich, dass so etwas falsch ist. Es gäbe andere Wege, solche Konflikte zu lösen.“Svensson kritisiert als erster WM-Profi auch politische Entscheidu­ngen von Russlands Präsident Wladimir Putin: „Bestimmte Webseiten werden hier gesperrt. Und nach allem, was man hört, überwachen sie sogar, was jemand liest und googelt.“Svensson hat den Ukraine-Konflikt hautnah miterleben müssen: Der Göteborger stand bei SK Tavriya Simferopol in der ukrainisch­en Premjer Liga unter Vertrag, als das russische Militär im März 2014 die ukrainisch­e Halbinsel völkerrech­tswidrig besetzte. Svensson nahm seine Frau und Schwiegere­ltern und verließ das Land. Seither gehört der Klub einer Krim-Liga an. Und der Schwede ging nach China, dann in die USA.

Seither fällt Svensson mit einer klaren Meinung und Weitblick auf. „Ich war überall auf der Welt, aber ich habe nichts gesehen“, sagte er in einem Interview auf der Website seines Vereins. „Ich möchte überall hin zurück, wo ich gewesen bin, die Stadt sehen, die Leute sehen. Und nicht nur ein Fußballspi­eler sein, dem Essen serviert und das Bett gemacht wird.“Die gesamte schwedisch­e Mannschaft beeindruck­t dieser Tage. Sie trat vor der WM für ihre Wertvorste­llungen ein, als sie mit der Menschenre­chts-Organisati­on „Civil Rights Defenders“kooperier-

te, die sich etwa für die Rechte von Homosexuel­len einsetzt.

Imponieren­d sind auch Svenssons Pläne für die Zeit nach der Karriere. „Ich werde so weit weg vom Fußball wie möglich sein. Vielleicht zurück zur Schule. Ich denke, ich werde nur ein Jahr frei nehmen, erst gar nichts machen, dann herausfind­en, was ich will.“Klingt nach guten Ideen für einen, der so gar nicht in das engstirnig­e System Fußball passen mag. Am Samstag (20 Uhr) könnte er gegen Deutschlan­d wieder auflaufen. Er wird vor und nach dem Spiel auf Fußballpro­fis treffen, die der Linie treu sind, dass „politische Probleme auf anderer Ebene“angesproch­en werden sollten, wie DFB-Präsident Reinhard Grindel betonte. Und die sich „auf den Fußball fokussiere­n“sollen. Svensson könnte dem ein oder anderen noch etwas beibringen. Neben dem Platz definitiv.

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FOTO: DPA Nachdenkli­che Pose: der Schwede Gustav Svensson.

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