Julian hat Bock aufs Sommermärchen
Kalendarisch ist es Sommer, doch vom Sommermärchen sind wir noch weit entfernt. Im Gegenteil: Die Deutschlandfähnchen hängen schlapp herunter, nach der Niederlage im WM-Auftaktspiel gegen Mexiko ist die Stimmung gedämpft, fast schon ängstlich. Der Geist von 2006 und von 2014 ist verflogen. Ein Spiel hat gereicht. Dabei hätte aus Leverkusener Sicht die verlorene Begegnung der Anfang von etwas ganz Großem werden können – für einen blonden Jungsiegfried aus der Chemiestadt. Es fehlten nur Zentimeter, dann hätte der Schuss von Julian Brandt im mexikanischen Netz gezappelt, und der Torjäger von Bayer 04 wäre der Held gewesen, der Deutschland vor einer Niederlage bewahrt hätte. Hätte, wäre, wenn ... Wir haben verloren. Doch in nur wenigen Minuten, die ihm seine späte Einwechslung gelassen hatte, hat sich gezeigt: Julian hat Bock.
Das macht uns Hoffnung, dass der Altherrenfußball vom Auftaktspiel gegen die Schweden schnell wieder vergessen ist. Auch wenn Bayers Julian nicht gleich in der Startaufstellung spielt, eine Jokerrolle hat er sich verdient. Er könnte vielleicht doch ein neuer Poldi oder Schweini werden, noch ist es nicht zu spät. Klar ist aber auch: Alleine schafft er es nicht. Der Weltmeister ist zu satt, sagen jetzt viele, kein Teamgeist, kein Feuer, keine Inspiration. Auch bei den Fußballfreunden in unserer Stadt ist davon wenig zu spüren. Doch könnte sich das mit einem überzeugenden Sieg am Samstag wieder ändern, besonders dann, wenn der hoch motivierte Julian tatsächlich trifft.
Freunde haben am Samstag zu einer Hochzeitsparty mit „Rudelgucken“eingeladen. Ganz schön mutig. Dass es der Tag sein könnte, an dem Deutschland aus dem Turnier ausscheidet, konnten die beiden nicht wissen. Wer heiratet, braucht eben Mut. Mein Tipp: Deutschland gewinnt. Die Party wird unvergesslich, die Ehe hält.
Bernd Bussang