Armutsschwelle liegt bei 969 Euro
Trotz des Booms ist das Armutsrisiko für Geringverdiener nicht gesunken.
BERLIN Trotz des Rekordstands bei der Beschäftigung und acht guten Konjunkturjahren ist das Armutsrisiko für Geringverdiener in Deutschland nicht geringer geworden. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Demnach stagnierte die Armutsrisikoquote 2016 bei 7,7 Prozent der Erwerbstätigen. Sie ist damit seit 2011 unverändert. Die Armutsrisikoschwelle liegt nach EU-Festlegung bei 60 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens. In Deutschland lag die Schwelle für einen Einpersonenhaushalt 2016 bei 969 Euro pro Monat, für einen Paarhaushalt bei 1.453 Euro, wie aus dem Papier hervorgeht. „Die Schwelle erhöht sich für jedes Kind im Alter ab 14 Jahren um 484 Euro und für jedes Kind im Alter unter 14 Jahren um 291 Euro.“
Die Zahlen machen deutlich, dass etwa jeder zwölfte Arbeitnehmer vom Konjunkturaufschwung und steigenden Einkommen nicht profitieren konnte. Häufig trifft dies gering Qualifizierte und Menschen ohne Berufsausbildung. Besser Qualifizierte konnten dagegen in den vergangenen Jahren teils erhebliche Einkommenszuwächse erzielen.
Der Antwort zufolge waren zuletzt fast 1,2 Millionen Erwerbstätige zusätzlich auf Arbeitslosengeld II angewiesen. Hinzu kommt eine Dunkelziffer von Menschen, die Anspruch auf aufstockende Hilfe hätten, diese aber nicht beantragen. Die Regierung verweist auf wissenschaftliche Studien, die von weiteren ein bis zwei Millionen Erwerbstätigen ausgehen, die kein er- gänzendes Hartz IV beziehen, obwohl sie es könnten.
Wer aufstockende Hilfe bezieht, erhält sie oft sehr lange. „Von den rund 1.187.000 erwerbstätigen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Juni 2016 waren rund 6,2 Prozent weniger als drei Monate im Regelleistungsbezug sowie 49,3 Prozent vier Jahre oder länger“, so die Antwort. Etwa ein Drittel der Aufstocker in Paarhaushalten mit Kindern ist vollzeiterwerbstätig oder selbstständig. Die Hälfte der Aufstocker hat den Daten zufolge Kinder. Insgesamt leben 850.000 Kinder in Aufstocker-Haushalten.
„Erwerbstätigkeit muss vor Armut und Grundsicherungsbezug schützen“, sagte Grünen-Politiker Wolfgang Strengmann-Kuhn. Er forderte einen höheren Mindestlohn sowie eine umfassende Kindergrundsicherung.