„Wir sind keine Sprücheklopper“
Der Finanzminister sieht den Euro gerettet,
plädiert für eine EU-Steuer und verspricht Entlastungen in Höhe von 20 Milliarden Euro.
der EU-Finanzplanung für die Jahre 2021 bis 2027, das heißt, es ist Teil der Verhandlungen über den EU-Haushalt. Das setzt der Dimension eines solchen Budgets Grenzen. Das Budget könnte zum Beispiel auch von dem Aufkommen einer Finanztransaktionssteuer profitieren. Eine Aufgabe wird sein, den gemeinsamenWährungsraum zu stabilisieren – durch Investitionen.
Präsident Macron wollte ja einen dreistelligen Milliardenbetrag für das Budget. Hat sich Deutschland also durchgesetzt?
Scholz In einem erfolgreichen Europa geht es nicht darum. Wir haben ein neues Momentum in Europa, das ist das Verdienst von Präsident Macron.
2012 hat Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank, die Wende in der Euro-Krise herbeigeführt, indem er erklärte, die Notenbank werde alles ihr Mögliche tun, um den Euro zu verteidigen. Jetzt sind Sie dran: Werden jetzt die Finanzminister der Euro-Staaten alles tun, damit der Euro bestehen bleibt?
Scholz Der Euro steht gut da. Wir müssen jetzt in den guten Zeiten dafür sorgen, dass wir im Euro-Raum gewappnet sind für schlechtere Zeiten.
Wird es den Euro in zehn Jahren noch geben?
Scholz Ja, der Euro ist unumkehrbar. Denn der Euro sichert unsere gemeinsame Zukunft in Europa. Der „Financial Times“-Kolumnist Martin Wolf schreibt, der Euro sei als Integrationsinstrument gescheitert. Was entgegnen Sie ihm?
Scholz Europa wäre ohne eine gemeinsame Währung weniger einig und weniger stark. Auch die USA sind ein Land mit einer Währung, obwohl sie Regionen haben, die sich total unterschiedlich entwickeln…
…mit dem entscheidenden Unterschied zur Euro-Zone, dass die Vereinigten Staaten ein einziger Nationalstaat sind.
Scholz Richtig, aber wir haben uns in Europa als Staatenverbund die richtigen gemeinsamen Regeln geschaffen, damit das Projekt gelingt. Wir werden unsere Zukunft, unsere Souveränität nur gemeinsam sichern können. Wenn wir nicht herumgestoßen werden wollen, müssen wir die EU voranbringen und dafür sorgen, dass sie handlungsfähig bleibt. Dazu gehört eben, dass wir den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM noch wirkungsvoller machen. Um ganz sicherzugehen, dass eine Bankinsolvenz wie 2008 die Lehman-Brothers-Pleite nicht das gesamte System gefährdet, wollen wir beim ESM eine zusätzliche Letztsicherung schaffen. Sie soll einspringen, wenn der schon geschaffene Abwicklungsfonds nicht ausreicht. Steuerzahler sollen nicht mehr für die Banken haften.
Sie werden gern Olaf Schäuble genannt. Ärgert Sie das?
Scholz Nee, und ich beschäftige mich auch nicht damit. Was ist denn noch sozialdemokratisch an Ihrer Finanzpolitik?
Scholz Es ist genuin sozialdemokratisch, solide zu wirtschaften, dass man in wirtschaftlich guten Zeiten keine neuen Schulden macht. Zugleich investieren wir so viel in die Zukunft unseres Landes wie lange nicht. Das ist meine Politik.
Und wo unterscheiden Sie sich von der Union?
Scholz Wir kümmern uns um den sozialen Zusammenhalt unseres Landes. Daher haben wir zum Beispiel durchgesetzt, dass der soziale Wohnungsbau ausgebaut, die Qualität der Betreuung in den Kitas und Krippen verbessert und die Ganztagsbetreuung erweitert wird. Und wir kümmern uns um die Sicherung der Rente.
Trotzdem erwirtschaften die kleinen und mittleren Einkommen noch immer den größten Teil der Steuern. Müssten Sie nicht die mit einer Scholz-Reform großzügig entlasten?
Scholz Da sind wir dran. Wir erhöhen das steuerfreie Existenzminimum, was kleinen und mittleren Einkommen zugutekommt. Wir steigern den Kinderfreibetrag und werden das Kindergeld zum Juli 2019 um zehn Euro erhöhen. 2021 heben wir es nochmals um 15 Euro pro Kind an. Und vergessen Sie nicht die geplante Steuertarifabsenkung 2019, um die schädlichen Wirkungen der kalten Progression auszugleichen. Allein das bringt den Familien zehn Milliarden Euro mehr. Auch bei den Sozialbeiträgen werden die kleinen Einkommen zukünftig durch die Einführung einer Gleitzone entlastet. Dazu kommt ab 2021 die Entlastung bei Solidaritätszuschlag für 90 Prozent der Steuerzahler in Höhe von abermals zehn Milliarden Euro. Unter dem Strich kommt da einiges zusammen.
Sie könnten die Entlastung beim Soli vorziehen.
Scholz Wir bringen das Gesetz zur Abschaffung des Soli schon bald auf den Weg. Die Abschaffung wird dann am 1. Januar 2021 kommen. Das muss alles seriös gerechnet und rechtlich sauber auf den Weg gebracht werden. Wir sind keine Sprücheklopper.
Gehen Sie davon aus, dass die Koalition wirklich hält?
Scholz Alle Beteiligten sagen es.
Und Sie glauben es?
Scholz Der binnenfixierte Streit, den sich CDU und CSU gerade leisten, schadet unserem Land. Ich kann nur hoffen, die beiden Parteien finden da schnell wieder heraus.
Laut Umfragen wäre eine Neuwahl ein Desaster für Ihre Partei.
Scholz Ob jetzt Neuwahlen gut oder schlecht sind für die SPD, ist mir eine zu taktische Frage. Die Bürger haben gewählt. Wir haben vom Wähler das Mandat bekommen, das Land voranzubringen. Der Koalitionsvertrag ist eine gute Grundlage für die Arbeit der Regierung. Daran halten wir uns.
Dann schauen wir auf 2021, wenn spätestens Wahlen sind. Was muss die SPD tun, um wieder das Vertrauen der Wähler zu gewinnen? Scholz Wir sind die älteste demokratische Partei Deutschlands und verbindenWeltoffenheit, praktische Vernunft und Regierungskompetenz mit unserem Einsatz fürs Soziale. Das ist einzigartig in der Parteienlandschaft.Wenn wir das alles bei unserer täglichen Politik und kommenden Wahlen beherzigen, können wir auch stärkste Partei werden.