Rheinische Post Langenfeld

Mit dem Rad durchs Butterländ­chen

- VON HOLGER BERNERT

Für Radler ist die hügelige Landschaft im deutsch-belgischen Grenzgebie­t rund um Aachen besonders reizvoll. Die Kaiserstad­t ist zugleich Start- und Zielpunkt unserer 63 Kilometer langen Strecke, die auch abgekürzt werden kann.

AACHEN Liebevoll Butterländ­chen wird der Landstrich zwischen Kornelimün­ster und der Region um Eupen genannt. Den Namen verdankt die Gegend den saftigen Wiesen des EupenerWei­delands, das gegen Ende des 19. Jahrhunder­ts die Menschen im Grenzland mit Milchprodu­kten versorgte. Durchs Butterländ­chen führt auch eine besonders schöne Radtour, eine Empfehlung von Karin Offermann, Radtourenl­eiterin beim ADFC Aachen. Los geht’s bei herrlichem Sonnensche­in am Aachener Hauptbahnh­of.

Über Aachen-Burtscheid führt der Weg zur Stauanlage Kupferbach im Aachener Wald. Gleich zu Beginn der insgesamt rund 63 Kilometer langen Tour treffen die Radler an der deutsch-belgischen Grenze auf eine Menge Kreatives und ein Stück europäisch­er Geschichte. Bis zum Inkrafttre­ten des Schengener Abkommens vor 23 Jahren regelten hier Zollbeamte den Aus- und Einreiseve­rkehr. Eigentlich sollte die Zollstatio­n „Köpfchen“dem Erdboden gleichgema­cht werden, doch findige Menschen gründeten den grenzübers­chreitende­n Kulturvere­in KuKuK.

Wo früher fleißig geschmugge­lt wurde, führt der alte Grenzpfad heute ins ostbelgisc­he Hauset, weiter durch Wald und Flur nach Raeren, wo man auf Kurioses trifft. Im Ortsteil Berlotte hat der ortsansäss­ige Möhrenzuch­tverein der Karotte ein ganzes Museum gewidmet. Nun ja, das Museum ist in einem ehemaligen Trafohäusc­hen untergebra­cht und die Anzahl der Exponate überschaub­ar. Aber sie sind rund um die Uhr durch ein kleines Fenster zu sehen. Auf Knopfdruck fährt die Möhrenkuns­t in einem Paternoste­rsystem rauf und runter. Auf jeden Fall sollte man hier seine Tour unterbrech­en, denn das Möhrenmuse­um ist das kleinste Museum in Belgien. Vielleicht sogar in Europa – oder gar weltweit?

Warum sich die Sammlung nun ausgerechn­et dem Wurzelgemü­se widmet, erschließt sich dem Besucher nicht unbedingt. Weit und breit gibt es kein einziges Karottenfe­ld. Hauptaufga­be des Vereins ist laut Satzung die„Beschäftig­ung mit den allgemeine­n Belangen der Zeitgeschi­chte, der kritischen Betrachtun­g unserer Existenz und dem gesellscha­ftlichen Leben im Ortsteil Berlotte ...“Mitglieder dürfen übrigens nicht mehr als zehn Möhren im Jahr auf dem Markt verkaufen. So soll der Weltmarktp­reis stabil ge- halten werden.

Über einen Kinkebahn genannten alten römischen Handelsweg gelangt die Gruppe zur Burg Raeren, wo im Töpfereimu­seum ein kulturelle­s Kontrastpr­ogramm mit echter Hochkultur wartet. Experten sprechen von einer herausrage­nden Sammlung des historisch­en Raerener Steinzeugs als „Europäisch­es Kulturerbe“. Die Krüge und Kannen aus Raeren wurden bereits im 15. Jahrhunder­t als Gebrauchsg­eschirr gehandelt und im gesamten Nordosten Europas verkauft. Als reichlich dekorierte­s Ziergeschi­rr der Renaissanc­e zog das Steinzeug ab dem 16. Jahrhunder­t in die europäisch­en Königs- und Fürstenhäu­ser ein. Untergebra­cht ist das Töpfereimu­seum seit 1963 in der Burg Raeren, die in der Mitte des 14. Jahrhunder­ts auf dem Gelände einer alten Eisenschme­lze errichtet wurde. Der von Weihern umgebene Wohnturm wurde 1583 vom damaligen Besitzer Philip von Lomont nach einem Brand restaurier­t und vergrößert.

Jetzt wird’s etwas anstrengen­der. Vom Tal aus führt die Bergstraße hoch zur Aussichtsp­lattform des ehemaligen Bahnhofs Raeren. Dort kommen nicht nur Naturfreun­de auf ihre Kosten, sondern auch Fans von Schienenfa­hrzeugen: entweder nutzt man die Aussichtsp­lattform oder steigt kurzerhand auf eine ausrangier­te Lok, um den Blick ins Herver Land zu genießen.

Wer Lust hat, kann am Bahnhof Raeren zu einem Abstecher zum Vennkreuz aufbrechen. Dabei handelt es sich um ein Jesuskreuz im Raerener Wald mit der bedenkensw­erten Inschrift „Wanderer, nutze deine Zeit. Bald wanderst du in

die Ewigkeit“. Von dort kann man den Blick über das Hohe Venn, ein grenzübers­chreitende­s Hochmoor zwischen Eifel und dem Eupener Land, streifen lassen. „Vom Vennkreuz kann unsere Tour um fast zehn Kilometer verkürzt werden“, empfiehlt Karin Offermann allen, denen die Puste so langsam ausgeht. „Aber alle anderen erwartet noch der nördliche Uferweg entlang der Wesertalsp­erre.“

Von dort aus müssen die Radfahrer zurück zum Bahnhof Raeren. Nach einer ausgiebige­n Pause wird die Tour von hier aus über den Vennbahnra­dweg fortgesetz­t. „Jetzt ist Ausrollen angesagt“, verspricht Karin Offermann. Denn die Strecke führt ohne jede weitere Kraftanstr­engung über Schmithof, Walheim, Kornelimün­ster und Brand zurück nach Aachen.

 ?? FOTO: OSTBELGIEN.EU/DOMINIK KETZ ?? Die Radtour rund um Aachen führt durch abwechslun­gsreiche Landschaft­en, hat aber auf belgischer Seite auch Kurioses zu bieten – das kleinste Museum Belgiens zum Beispiel. Es befasst sich mit Möhren.
FOTO: OSTBELGIEN.EU/DOMINIK KETZ Die Radtour rund um Aachen führt durch abwechslun­gsreiche Landschaft­en, hat aber auf belgischer Seite auch Kurioses zu bieten – das kleinste Museum Belgiens zum Beispiel. Es befasst sich mit Möhren.

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