Rheinische Post Langenfeld

So kann Deutschlan­d Schweden knacken

- VON TOBIAS ESCHER

Im ersten WM-Spiel gelang es Deutschlan­d nicht, die Defensivma­uer der Mexikaner zu durchbrech­en. Damit es Joachim Löws Mannschaft gegen Schweden besser macht, bedarf es einiger Änderungen auf dem Platz.

DÜSSELDORF Ein Taktik-Trend dieser WM ist selbst für den größten Taktik-Muffel leicht zu erkennen: Die kleinen Nationen verteidige­n besser denn je. Immer mehr Außenseite­r ziehen sich weit zurück in 4-51- oder gar 6-3-1-Systemen, lassen den Gegner anrennen. Und die Favoriten? Ihnen fehlen die Ideen, der Esprit, das Risiko, um diese ultradefen­siven Systeme zu knacken.

Die Schweden werden ebenfalls ihrer Außenseite­r-Rolle frönen und sich gänzlich auf ihre Defensive verlassen. Gegen Südkorea haben sie zwar etwas offensiver gespielt, teilweise sogar den Gegner früh gepresst. Als Maßstab sollte man allerdings eher die WM-Qualifikat­ionsspiele gegen Frankreich, Niederland­e und die Playoffs gegen Italien nehmen. In all diesen Spielen stand Schweden äußerst defensiv.

Schweden agiert aus einem 4-4-2-System. Die beiden Viererkett­en halten die Abstände eng. Kaum ein WM-Teilnehmer steht so kompakt und verteidigt derart lückenlos wie die Schweden. Das ist die erste schlechte Nachricht für die deutsche Mannschaft. Löws Team hat sich bereits gegen Mexikos Viererkett­en schwergeta­n mit dem Spielaufba­u. Auch Schweden wird sich etwas einfallen lassen, um Toni Kroos aus dem Spiel zu nehmen.

Die zweite schlechte Nachricht: Schweden greift fast ausschließ­lich über die Flügel an, flankt öfter und genauer als viele andere WM-Teilnehmer. Ob Deutschlan­ds Außenspiel­er dem gewachsen sind? Gegen Mexiko agierten Joshua Kimmich und Marvin Plattenhar­dt extrem offensiv, standen teils auf Höhe der Angreifer. So könnten die deutschen Flügel eine Schwachste­lle sein. Schwedens Gegenstöße nach Ballgewinn­en sind indes nicht derart gefährlich wie jene der Mexikaner. Während gerade Mexikos Außenverte­idiger sofort nachrückte­n, geht Schweden etwas konservati­ver vor. Dennoch: Jene Lücken im zentralen Mittelfeld, die Deutschlan­d gegen Mexiko anbot, würde auch Schweden gnadenlos ausnutzen.

Daher glaube ich, dass Joachim Löw seine Taktik umstellen wird.Vor allem zwei Themen dürften in den Fokus rücken: Wie sichert Deutschlan­d das eigene Offensivsp­iel ab? Und wie schaffen sie es, mehr Torchancen zu kreieren?

Um gegen Konter besser gewappnet zu sein, ist eine Umstellung im Mittelfeld alternativ­los. Toni Kroos und Sami Khedira agierten gegen Mexiko nach Ballverlus­ten zu langsam, zu wenig aggressiv. Für Löw gibt es zwei Optionen. Option eins heißt Ilkay Gündogan. Er beherrscht nicht nur die feine Klinge, sondern ist im Spiel gegen den Ball eine Wucht; in dem Punkt verkörpert der Ex-Dortmunder Gündogan die alte Klopp-Schule. Er könnte als Ersatz für Khedira oder als zusätzlich­er Sechser zum Einsatz kommen.

Option zwei: Löw stellt in der Abwehr auf eine Dreierkett­e um. Damit würde ein zusätzlich­er Verteidige­r hinter der Doppelsech­s absichern. Mit einer Dreierkett­e ließe sich auch die hohe Rolle der deutschen Außenverte­idiger auffangen. Die zweite Baustelle betrifft das deutsche Angriffssp­iel. Gegen Mexiko spielte sich Deutschlan­d gegen einen tief stehenden Gegner zu wenige Chancen heraus. Eine Hereinnahm­e von Mario Gomez böte die Möglichkei­t, stärker über die Flügel zu kommen. Angesichts der Kopfballst­ärke der schwedisch­en Innenverte­idiger dürfte diese Strategie nicht die beste Wahl sein.

Vielmehr sollte jenes Motto gelten, das Weltmeiste­r-Teamchef Franz Beckenbaue­r einst ausrief: „flach spielen, hoch gewinnen“. Es dürfte schwer werden, zwischen Schwedens engeVierer­ketten zu gelangen – doch gänzlich unmöglich ist es nicht. Hier könnte neben Mesut Özils technische­r Klasse vor allem Marco Reus entscheide­nd sein. Reus beherrscht sowohl das schnelle Kombinatio­nsspiel in engen Räumen als auch den plötzliche­n Sprint in die Tiefe. Seine Unberechen­barkeit hat dem deutschen Spiel gegen Mexiko gefehlt.

In einem Punkt wird Löw sich treu bleiben: Sein Team wird Ball und Gegner laufen lassen, das Spiel dominieren, Ballbesitz sammeln. Deutschlan­d hat aufgrund der Ausgangsla­ge gar keine andere Wahl.

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FOTO: PRIVAT

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