Löw demonstriert angespannte Gelassenheit
Der Bundestrainer gibt den Unerschütterlichen. Doch zuweilen spiegelt sich der Druck auch in seinem Gesicht wider.
SOTSCHI Niemand wird Joachim Löw ein gestörtes Verhältnis zu Kameras unterstellen. Für eine große Pflegelinie hält er sein Gesicht hin, in Brasilien bei der WM vor vier Jahren joggte er fein inszeniert am Strand. Bewegte Bilder davon gingen um die Welt. Löw war auf dem Höhepunkt seines Schaffens, und er war entspannt wie nie zuvor. Trotz der anerkannt brenzligen Situation seiner Mannschaft demonstrierte er aber auch in Russland vor dem zweiten Gruppenspiel der WM 2018 „högschde“Gelassenheit. Am Mittwoch lehnte er sich an der Strandpromenade hinter dem Mannschaftshotel betont lässig an eine Laterne und posierte für die Fotografen. Das Signal: „Mich bringt nichts aus der Ruhe.“
In der offiziellen Fifa-Pressekonferenz am Freitagabend vor dem Spiel gegen Schweden zeigte er dann doch das eher angespannte Löw-Gesicht. Das passt auch entschieden besser zur Situation des Teams. „Wir müssen liefern“, sagte der Trainer, „das wissen wir, und in der Mannschaft ist eine gute Anspannung zu spüren.“Im Training, urteilte der Fußballlehrer, habe seine Auswahl bereits eine Reaktion auf die schwacheVorstellung gegen Mexiko gezeigt. Es komme aber darauf an, „dass im Spiel eine Reaktion zu sehen sein wird. Und ich bin sicher, dass eine Reaktion zu sehen sein wird“.
An seiner bevorzugten Spielweise will der Bundestrainer festhalten. „Wir werden nicht von unserer Idee abrücken“, beteuerte Löw,„es bringt doch nichts, nach einem einzigen Spiel alles in Frage zu stellen.“Und damit jeder hört, wie seltsam er so eine Vorstellung findet, wiederholte er: „Nach einem einzigen Spiel.“
Im Unterschied zum Auftritt gegen die Mexikaner verlangt Löw eine andere Einstellung und ein anderes Auftreten. „Unsere beiden wichtigstenWaffen sind Energie und Körpersprache“, erklärte er, „die Einstellung von Anfang an, die Power sind Grundvoraussetzung in einem Turnier, das von Hingabe geprägt ist.“
Hingabe bewiesen bislang vor allem die Außenseiter, die sich mit aller defensiven Macht gegen die Favoriten stemmen. Das ist eine Spielweise, die Löws Team aus der jüngerenVergangenheit kennt.„Wir haben fast immer mit defensiven Gegnern zu tun“, sagte der Trainer. Das Problem, vor das es der „tief stehende“Kontrahent stellt, kann nicht nur nach Löws Auffassung vor allem über Laufbereitschaft gelöst werden. „Wir brauchen Leute, die die tiefen Wege gehen“, erklärte Deutschlands oberster Übungsleiter, „es geht um Läufe und Laufwege.“In dieser Hinsicht bot die Begegnung mit den Mexikanern reiches Anschauungsmaterial. Da war vonWegen in die Tiefe wenig zu sehen, die Laufarbeit verrichteten die Deutschen während ermüdender, meist rückwärts gewandter Ballpassagen rund um den Strafraum des Gegners.
So werden sie gegen die Schweden keinen Blumentopf gewinnen. Löw erwartet einen Gegner, der von mannschaftlicher Geschlossenheit lebt. „Ihre Mentalität ist ihre Stärke“, betonte der deutsche Trainer, „die lassen nie nach.“Ein Beleg: die WM-Qualifikation vor sechs Jahren. Deutschland führte in Berlin scheinbar sicher mit 4:0, Schweden schaffte noch ein 4:4.