Rheinische Post Langenfeld

Last-Minute-Sieg und Schwalbens­how

- VON NICOLAS REIMER

In der Nachspielz­eit treffen Coutinho und Neymar zum 2:0 Brasiliens gegen Costa Rica. Zuvor nimmt Schiedsric­hter Kuipers nach Videobewei­s einen Elfmeter für Neymar zurück. Das Überraschu­ngsteam von 2014 ist damit ausgeschie­den.

ST. PETERSBURG (sid) Neymar sinkt am Mittelkrei­s auf die Knie, schlägt sich die Hände vors Gesicht und schluchzt hemmungslo­s. Erst seine peinliche Schwalbe und der zurückgeno­mmene Foulelfmet­er, dann sein Treffer zum 2:0-Endstand für Brasilien gegen Costa Rica: Nach dem Ende einer nervenaufr­eibenden Nachspielz­eit übermannen den teuersten Fußballer derWelt die Emotionen.

Während das Aus Costa Ricas bei der WM in Russland nach der zweiten Niederlage schon besiegelt ist, hat der Rekordwelt­meister mit vier Punkten Kurs in Richtung Achtelfina­le genommen. Voraus ging dem Ganzen allerdings eine Zitterpart­ie: Philippe Coutinho erzielte erst in der ersten Minute der Nachspielz­eit die erlösende Führung, Neymar setzte noch einmal sechs Minuten später den Schlusspun­kt.

„Nicht alle wissen, was ich durchgemac­ht habe, um es bis hierher zu schaffen“, schrieb der 26-Jährige kurz nach dem Spiel auf Instagram. „Gut reden kann jeder, selbst ein Papagei. Aber es dann auch machen – das schaffen nur wenige!“Die Tränen seien daher einzig und allein „aus Freude, aus Überwindun­g, wegen des Durchhalte­ns und des Siegeswill­ens“geflossen.

Coach Tite erinnerte auch an Neymars lange Verletzung­spause vor der WM und betonte: „Er ist ein menschlich­esWesen.“Neymar werde im Turnierver­lauf noch zulegen und „100 Prozent erreichen“. Der Star von Paris St. Germain war gegen zäh verteidige­nde Costa Ricaner deutlich aktiver als beim enttäusche­nden 1:1 gegen die Schweiz, sorgte allerdings auch für den Aufreger des Tages: Mit einer plumpen Schauspiel­einlage holte er vermeintli­ch einen Foulelfmet­er heraus (78.), stellte sich am Punkt zur Ausführung auf – und wurde vomVideosc­hiedsricht­er doch noch völlig zu Recht zurückgepf­iffen.

Brasilien muss sich nun im abschließe­nden Gruppenspi­el am kommenden Mittwoch (20 Uhr) ge- gen Serbien dringend steigern, denn schon gegen die Eidgenosse­n hatte die hoch gehandelte Mannschaft von Trainer Tite jeglichen Glanz vermissen lassen. Immerhin steigerte sich Neymar, der unter der Woche noch das Training abbrechen musste.

Dabei war er in der ersten Halbzeit noch kaum zu sehen gewesen. Erst nach der Pause nahm der 222-Millionen-Mann Fahrt auf, vergab seine beste Chance allerdings freistehen­d mit einem Schlenzer in der 72. Minute. Näher war bis zu diesem Zeitpunkt nur Gabriel Jesus der Führung gekommen: Der Stürmer köpfte in der 50. Minute an die Latte.

Brasilien tat sich extrem schwer mit den sehr defensiv agierenden Costa Ricanern, die sich bei Ballbesitz des fünfmalige­n Weltmeiste­rs in zwei Ketten gestaffelt bis kurz vor den eigenen Strafraum zurückzoge­n. Zudem tat der Underdog dem hohen Favoriten in jedem Zweikampf weh, ging ausgesproc­hen energisch zu Werke. Nicht nur Neymar lag mehrfach mit schmerzver­zerrtem Gesicht auf dem Rasen.

Ein einziges Mal gelang es den Brasiliane­rn vor der Pause, die Defensivre­ihen des Gegners durcheinan­derzuwirbe­ln. Coutinho setzte mit einem Pass Neymar in Szene, doch dem Superstar sprang der Ball zu weit vom Fuß, so dass Keylor Navas vom Champions-League-Sieger Real Madrid im Tor Costa Ricas zur Stelle war. Nach dem Wechsel ging Brasilien wesentlich zielstrebi­ger zu Werke, doch erst in der Nachspielz­eit belohnte sich der Favorit.

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FOTO: IMAGO/HORSTMÜLLE­R Bühnenreif­er Auftritt: Brasiliens Neymar lässt sich im Strafraum nach leichter Berührung von Giancarlo Gonzalez fallen. Einen Elfmeter bekommt er nach Ansicht des Videobewei­ses aber zu Recht nicht.

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