Last-Minute-Sieg und Schwalbenshow
In der Nachspielzeit treffen Coutinho und Neymar zum 2:0 Brasiliens gegen Costa Rica. Zuvor nimmt Schiedsrichter Kuipers nach Videobeweis einen Elfmeter für Neymar zurück. Das Überraschungsteam von 2014 ist damit ausgeschieden.
ST. PETERSBURG (sid) Neymar sinkt am Mittelkreis auf die Knie, schlägt sich die Hände vors Gesicht und schluchzt hemmungslos. Erst seine peinliche Schwalbe und der zurückgenommene Foulelfmeter, dann sein Treffer zum 2:0-Endstand für Brasilien gegen Costa Rica: Nach dem Ende einer nervenaufreibenden Nachspielzeit übermannen den teuersten Fußballer derWelt die Emotionen.
Während das Aus Costa Ricas bei der WM in Russland nach der zweiten Niederlage schon besiegelt ist, hat der Rekordweltmeister mit vier Punkten Kurs in Richtung Achtelfinale genommen. Voraus ging dem Ganzen allerdings eine Zitterpartie: Philippe Coutinho erzielte erst in der ersten Minute der Nachspielzeit die erlösende Führung, Neymar setzte noch einmal sechs Minuten später den Schlusspunkt.
„Nicht alle wissen, was ich durchgemacht habe, um es bis hierher zu schaffen“, schrieb der 26-Jährige kurz nach dem Spiel auf Instagram. „Gut reden kann jeder, selbst ein Papagei. Aber es dann auch machen – das schaffen nur wenige!“Die Tränen seien daher einzig und allein „aus Freude, aus Überwindung, wegen des Durchhaltens und des Siegeswillens“geflossen.
Coach Tite erinnerte auch an Neymars lange Verletzungspause vor der WM und betonte: „Er ist ein menschlichesWesen.“Neymar werde im Turnierverlauf noch zulegen und „100 Prozent erreichen“. Der Star von Paris St. Germain war gegen zäh verteidigende Costa Ricaner deutlich aktiver als beim enttäuschenden 1:1 gegen die Schweiz, sorgte allerdings auch für den Aufreger des Tages: Mit einer plumpen Schauspieleinlage holte er vermeintlich einen Foulelfmeter heraus (78.), stellte sich am Punkt zur Ausführung auf – und wurde vomVideoschiedsrichter doch noch völlig zu Recht zurückgepfiffen.
Brasilien muss sich nun im abschließenden Gruppenspiel am kommenden Mittwoch (20 Uhr) ge- gen Serbien dringend steigern, denn schon gegen die Eidgenossen hatte die hoch gehandelte Mannschaft von Trainer Tite jeglichen Glanz vermissen lassen. Immerhin steigerte sich Neymar, der unter der Woche noch das Training abbrechen musste.
Dabei war er in der ersten Halbzeit noch kaum zu sehen gewesen. Erst nach der Pause nahm der 222-Millionen-Mann Fahrt auf, vergab seine beste Chance allerdings freistehend mit einem Schlenzer in der 72. Minute. Näher war bis zu diesem Zeitpunkt nur Gabriel Jesus der Führung gekommen: Der Stürmer köpfte in der 50. Minute an die Latte.
Brasilien tat sich extrem schwer mit den sehr defensiv agierenden Costa Ricanern, die sich bei Ballbesitz des fünfmaligen Weltmeisters in zwei Ketten gestaffelt bis kurz vor den eigenen Strafraum zurückzogen. Zudem tat der Underdog dem hohen Favoriten in jedem Zweikampf weh, ging ausgesprochen energisch zu Werke. Nicht nur Neymar lag mehrfach mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Rasen.
Ein einziges Mal gelang es den Brasilianern vor der Pause, die Defensivreihen des Gegners durcheinanderzuwirbeln. Coutinho setzte mit einem Pass Neymar in Szene, doch dem Superstar sprang der Ball zu weit vom Fuß, so dass Keylor Navas vom Champions-League-Sieger Real Madrid im Tor Costa Ricas zur Stelle war. Nach dem Wechsel ging Brasilien wesentlich zielstrebiger zu Werke, doch erst in der Nachspielzeit belohnte sich der Favorit.