Worpswede bietet eine neue Sicht auf Künstlerkolonie
WORPSWEDE (epd) Mit teils spektakulären Ansätzen wollen die vier wichtigsten Museen des Künstlerdorfes Worpswede bei Bremen in ihren Sommerausstellungen eine ganz neue Sicht auf den berühmten Ort der Kunst eröffnen.
„Wir werfen einen anderen Blick auf scheinbar Altbekanntes“, sagte am Donnerstag Kurator Jörg van den Berg. Das geschieht, indem Werken klassischer Worpsweder wie Heinrich Vogeler und Otto Modersohn Arbeiten zeitgenössische Künstler wie James Turrell, Marilou Schultz und Per Kirkeby zur Seite gestellt werden. Unter dem Titel „KaleidoskopWorpswede“läuft die Gemeinschaftsausstellung vom 24. Juni bis zum 4. November 2018.
Für eingefleischte Worpswede-Fans wohl am radikalsten ist der Ansatz, den Kurator van den Berg in der berühmten und denkmalgeschützten Rotunde des Malers, Bildhauers und Architekten Bernhard Hoetger (1874-1949) verfolgt.
Die kreisrunde Konstruktion ist Teil der Großen Kunstschau und zählt vielleicht zu den wichtigsten Bauten des norddeutschen Expressionismus. Normalerweise hängen dort Arbeiten der Maler, die die Künstlerkolonie und ihren Ruf be- gründet haben. Van den Berg hat sie abhängen lassen, um Raum für Performances und eine Arbeit des Berliner Künstlers Tilo Schulz zu schaffen.
Der Kurator hat insgesamt fast 50 Künstlerinnen und Künstler aus Vergangenheit und Gegenwart in das Sommer-Projekt eingebunden, das mit dem Untertitel „Kunstwerk, Landschaft, Lebensort“auch im Außenbereich präsent sein wird. Aber nicht nur die zeitgenössischen Arbeiten, auch die Klassiker der Gründergeneration zeigten überraschend aktuelle Bezüge, betonte der Ausstellungsmacher und nannte als Beispiel Heinrich Vogelers „Sommerabend“aus dem Jahr 1905. Dass auf der Leinwand keine der Figuren mit einer anderen kommuniziere, stehe denn auch für Einsamkeit und Isolation der Menschen in der Gegenwart.
Die frische Außensicht des Kunstwissenschaftlers aufWorpswede und seine Künstler hilft ihm bei solchen Interpretationen, denn van den Berg hat erst zu Jahresbeginn die Leitung der Großen Kunstschau übernommen. Es gehe ihm um eine aktuelle Auseinandersetzung und bestenfalls auch darum, einen kritischen Diskurs über die Zukunft anzustoßen, ergänzte er. Ganz grundsätzlich fragt er beispielsweise, worin die gesellschaftliche Bedeutung von Kunst heute liegen könnte
Eine Frage, auf die er in Worpswede bereits eine Antwort gefunden hat. Kunst, Kultur und Bildung seien der zentrale Gegenpol zu den wachsenden rechtspopulistischen Strömungen, die mit einer sprachlichen Verrohung verbunden seien. „Das sind die einzigen Segmente, um Aug in Aug in zivilisierter Kommunikation mit der Idee von Europa zusammenzukommen.“
Um das zu illustrieren, widmet sich die Große Kunstschau ganz den Sichtweisen auf alte und neue Kunst. Der Barkenhof nimmt das Spannungsfeld zwischen Kunst, Landschaft und Landwirtschaft in den Blick. Damit hängt auch das Skulpturenprojekt„Maisons des abeilles“von Olaf Nicolai zusammen – Bienenhäuser, die zum Nachdenken über soziale und ökologische Fragen anregen. Im „Haus im Schluh“geht es um Arbeit im Allgemeinen und dasWeben im Besonderen. Die Kunsthalle dokumentiert das Leben in Worpswede gestern und heute.
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