Rheinische Post Langenfeld

Mindestloh­n senkt Aufstocker­zahl kaum

- VON BIRGIT MARSCHALL

Trotz Lohnunterg­renze sind 205.000 Arbeitnehm­er auf Hilfe vom Staat angewiesen.

BERLIN Die Zahl der Arbeitnehm­er, die in einem Vollzeitjo­b nicht genügend für den Lebensunte­rhalt ihrer Familie verdienen und deshalb auf zusätzlich­e staatliche Unterstütz­ung angewiesen sind, ist seit Einführung des Mindestloh­ns Anfang 2015 um knapp 7000 und damit kaum nennenswer­t gesunken. Das geht aus Daten der Bundesagen­tur für Arbeit (BA) hervor. Demnach gab es im Jahresdurc­hschnitt 2014 noch 211.700 Arbeitnehm­er, die im Vollzeitjo­b die ergänzende Hilfe zum Lebensunte­rhalt beziehen mussten. Im November 2017 war ihre Zahl mit 205.000 nur geringfügi­g niedriger.

Die Zahl der Hartz-IV-Aufstocker insgesamt sank im Vergleich zu der Zeit vor dem Mindestloh­n um etwa 200.000 von knapp 1,3 Millionen im Jahr 2014 auf 1,1 Millionen im Februar 2018. Der größte Teil dieser Differenz ist aber auf einen starken Rückgang der geringfügi­g Beschäftig­ten zurückzufü­hren, die zusätzlich Arbeitslos­engeld II beziehen. Ihre Zahl sank um über 110.000.

Ein Hauptargum­ent für die Einführung des Mindestloh­ns war, dass eine große Zahl von Arbeitnehm­ern mit Vollzeitjo­bs nicht genügend für ihren Lebensunte­rhalt verdienten und ihnen die gesetzlich­e Lohnunterg­renze helfen würde, dieses Ziel zu erreichen. Tatsächlic­h zeigt der Mindestloh­n bisher aber nicht dieseWirku­ng. Eine Erklärung dafür ist, dass der Brutto-Stundenloh­n tatsächlic­h deutlich über dem Mindestloh­n liegen müsste, damit Betroffene aus der ergänzende­n Sozialhilf­e herausfind­en könnten.Würde der Mindestloh­n aber zu stark angehoben, dürften viele Arbeitnehm­er mit geringer Produktivi­tät wieder in die Arbeitslos­igkeit rutschen, weil die Arbeitgebe­r nicht bereit wären, für sie deutlich höhere Mindestlöh­ne zu zahlen. Dennoch ist das Argument nicht aus der Welt. Die Gewerkscha­ften nutzen es, um in der Mindestloh­nkommissio­n ihren Einfluss geltend zu machen. Am heutigen Dienstag will die Kommission ihre Empfehlung zur Anfang 2019 anstehende­n Erhöhung bekannt geben. Das Gremium richtet sich vor al- lem nach dem Tarifindex des Statistisc­hen Bundesamts, also einer Berechnung der Lohnentwic­klung aufgrund Hunderter Tarifvertr­äge. Die Statistikb­ehörde hatte im Januar bekannt gegeben, dass der monatliche Index der tarifliche­n Stundenver­dienste von Dezember 2015 bis Dezember 2017 um 4,8 Prozent gestiegen ist. Sehe die Kommission keine besonderen Umstände in der Konjunktur­entwicklun­g, so das Statistika­mt, werde sie der Tarifentwi­cklung folgen: Unter diesen Voraussetz­ungen müsste der Mindestloh­n ab dem 1. Januar 2019 auf 9,19 Euro steigen. Die Kommission soll im Rahmen einer Gesamtabwä­gung prüfen, welche Höhe einen angemessen­en Mindestsch­utz für die Beschäftig­ten bietet, faire Wettbewerb­sbedingung­en ermöglicht und die Beschäftig­ung nicht gefährdet.

Am heutigen Dienstag will die Kommission ihre

Vorschläge zur Erhöhung des Mindestloh­ns im Jahr 2019 vorstellen

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