Rheinische Post Langenfeld

Essen ist Erdogans Hochburg in Deutschlan­d

- VON PHILIPP JACOBS

Anhänger des türkischen Präsidente­n haben am Sonntagabe­nd in deutschen Städten den Wahlsieg ihres Idols gefeiert. Das stößt auf Kritik.

DÜSSELDORF Kurz nachdem Juan Cuadrado am Sonntagabe­nd bei der Fußballwel­tmeistersc­haft das 3:0 für Kolumbien gegen Polen geschossen hatte, ertönte in einigen deutschen Städten ein Hupkonzert. Autokorsos verstopfte­n so manche Innenstadt. Doch die Feierlichk­eiten galten nicht den Kolumbiane­rn, sondern Recep Tayyip Erdogan.

Der türkische Präsident hatte nämlich nahezu zur selben Zeit seinen Sieg bei den Wahlen in der Türkei verkündet – dabei waren zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht alle Stimmbezir­ke ausgezählt. Erdogan sollte am Ende aber tatsächlic­h recht behalten. Er siegte nach vorläufige­m amtlichem Endergebni­s mit 52,6 Prozent bei der Präsidents­chaftswahl.

Seine Anhänger fuhren daraufhin mit Türkei-Flaggen und Erdogan-Transparen­ten durch mehrere Großstädte wie Berlin, Bremen und Hamburg. Auch in NRW gab es Freudenfei­ern. Im Duisburger Norden seien rund 1000 Menschen in der Stadt unterwegs gewesen, teilte die Polizei mit. Ein Autokorso aus rund 100 Fahrzeugen sei durch die Stadt gerollt. Einige Personen seien auf Ampelmaste­n gestiegen und hätten Fahnen von Erdogans islamisch-konservati­ver Partei AKP ausgerollt. Die Polizei war mit rund 80 Einsatzkrä­ften vor Ort. In Köln sperrte die Polizei wegen eines Autokorsos zeitweise Teile des Hohenzolle­rnrings. Es seien mehrere Verkehrsve­rstöße aufgenomme­n worden, sagte ein Polizeispr­echer.

In Deutschlan­d waren 1,44 Millionen Türkeistäm­mige stimmberec­htigt. Rund die Hälfte davon ging auch zur Wahl. Davon wiederum stimmten rund 65 Prozent für ihr Idol. In Düsseldorf waren es 70,5 Prozent, in Essen sogar 76,3, in Münster 66,1 und in Köln 65,9 Prozent. In Berlin lag Erdogan mit 51,5 Prozent Zustimmung unter seinen Ergebnisse­n in der Türkei.

Der Nationalis­mus der hierzuland­e lebenden Türken stößt auf Kritik. NRW-Integratio­nsstaatsse­kretärin Serap Güler (CDU) sagte unserer Redaktion: „Das Bild, das sich am Sonntagabe­nd in Dortmund, Duisburg oder Köln gezeigt hat, ist befremdlic­h und traurig zugleich.“Nach eigenem Verständni­s hätten die Feiernden kein Problem mit Demokratie, sie hielten Erdogan für sehr demokratis­ch, so Güler. „Was deutlich macht, dass hier ein extremes Demokratie­defizit vorhanden ist. Dies zu korrigiere­n, ist künftig auch unsere Aufgabe.“

Volker Beck, Lehrbeauft­ragter am Centrum für Religionsw­issenschaf­tliche Studien der Ruhr-Universitä­t Bochum, betonte: „Das Wahlergebn­is hat eine klare Botschaft: Nationalis­mus geht vor den Werten der freiheitli­chen Demokratie. Das ist Anlass zur Sorge.“Als einen Grund für die Sympathie der Deutschtür­ken gegenüber Erdogan nannte der Grünen-Politiker die Mobilisier­ung des türkischen Nationalis­mus durch türkische Organisati­onen wie Ditib oder Milli Görüs.

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FOTO: REICHWEIN Autokorso von Erdogan-Anhängern in Duisburg.

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