Essen ist Erdogans Hochburg in Deutschland
Anhänger des türkischen Präsidenten haben am Sonntagabend in deutschen Städten den Wahlsieg ihres Idols gefeiert. Das stößt auf Kritik.
DÜSSELDORF Kurz nachdem Juan Cuadrado am Sonntagabend bei der Fußballweltmeisterschaft das 3:0 für Kolumbien gegen Polen geschossen hatte, ertönte in einigen deutschen Städten ein Hupkonzert. Autokorsos verstopften so manche Innenstadt. Doch die Feierlichkeiten galten nicht den Kolumbianern, sondern Recep Tayyip Erdogan.
Der türkische Präsident hatte nämlich nahezu zur selben Zeit seinen Sieg bei den Wahlen in der Türkei verkündet – dabei waren zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht alle Stimmbezirke ausgezählt. Erdogan sollte am Ende aber tatsächlich recht behalten. Er siegte nach vorläufigem amtlichem Endergebnis mit 52,6 Prozent bei der Präsidentschaftswahl.
Seine Anhänger fuhren daraufhin mit Türkei-Flaggen und Erdogan-Transparenten durch mehrere Großstädte wie Berlin, Bremen und Hamburg. Auch in NRW gab es Freudenfeiern. Im Duisburger Norden seien rund 1000 Menschen in der Stadt unterwegs gewesen, teilte die Polizei mit. Ein Autokorso aus rund 100 Fahrzeugen sei durch die Stadt gerollt. Einige Personen seien auf Ampelmasten gestiegen und hätten Fahnen von Erdogans islamisch-konservativer Partei AKP ausgerollt. Die Polizei war mit rund 80 Einsatzkräften vor Ort. In Köln sperrte die Polizei wegen eines Autokorsos zeitweise Teile des Hohenzollernrings. Es seien mehrere Verkehrsverstöße aufgenommen worden, sagte ein Polizeisprecher.
In Deutschland waren 1,44 Millionen Türkeistämmige stimmberechtigt. Rund die Hälfte davon ging auch zur Wahl. Davon wiederum stimmten rund 65 Prozent für ihr Idol. In Düsseldorf waren es 70,5 Prozent, in Essen sogar 76,3, in Münster 66,1 und in Köln 65,9 Prozent. In Berlin lag Erdogan mit 51,5 Prozent Zustimmung unter seinen Ergebnissen in der Türkei.
Der Nationalismus der hierzulande lebenden Türken stößt auf Kritik. NRW-Integrationsstaatssekretärin Serap Güler (CDU) sagte unserer Redaktion: „Das Bild, das sich am Sonntagabend in Dortmund, Duisburg oder Köln gezeigt hat, ist befremdlich und traurig zugleich.“Nach eigenem Verständnis hätten die Feiernden kein Problem mit Demokratie, sie hielten Erdogan für sehr demokratisch, so Güler. „Was deutlich macht, dass hier ein extremes Demokratiedefizit vorhanden ist. Dies zu korrigieren, ist künftig auch unsere Aufgabe.“
Volker Beck, Lehrbeauftragter am Centrum für Religionswissenschaftliche Studien der Ruhr-Universität Bochum, betonte: „Das Wahlergebnis hat eine klare Botschaft: Nationalismus geht vor den Werten der freiheitlichen Demokratie. Das ist Anlass zur Sorge.“Als einen Grund für die Sympathie der Deutschtürken gegenüber Erdogan nannte der Grünen-Politiker die Mobilisierung des türkischen Nationalismus durch türkische Organisationen wie Ditib oder Milli Görüs.