Rheinische Post Langenfeld

Torjubel 2018

- VON ADRIAN TERHORST

Früher galt es als extroverti­ert, beim Torjubel das Trikot auszuziehe­n. Heute wird der Torjubel genutzt, um politische Botschafte­n auszusende­n, Werbekunde­n zu präsentier­en oder Szenen aus Computersp­ielen zu imitieren.

DÜSSELDORF München 1974, Olympiasta­dion, WM-Finale zwischen Deutschlan­d und der Niederland­e. Es läuft die 43. Minute, als Gerd Müller, der „Bomber der Nation“zum 2:1-Siegtreffe­r einnetzt. Was danach folgt, hat mit Spektakel und Inszenieru­ng wenig zu tun. Nach seinem Treffer läuft Müller Richtung Mittelkrei­s. Er macht noch drei Freudenspr­ünge, sammelt noch schnell die Glückwünsc­he seiner Kollegen ein, und dann war es das auch schon. Die Holländer stoßen wieder an. Keine großen Jubelgeste­n, keine perfekt einstudier­ten schauspiel­erischen Kunststück­e.

Doch was damals normal war, sieht man elf Weltmeiste­rschaften

Der Torjubel ist die persönlich­e Bühne der

Spieler, auf der sie Botschafte­n aller Art übermittel­n können

und 54 Jahre später auf der großen Fußballbüh­ne nur noch selten. Heutzutage würde einem Spieler womöglich Lustlosigk­eit und fehlende Emotionali­tät vorgeworfe­n, wenn er kein Tänzchen an der Eckfahne aufführt. Oder unter Umständen sogar fehlender Geschäftss­inn.

Denn längst ist der Torjubel Teil des Milliarden­geschäfts Fußball. Die Sekunden nach dem Treffer gehören schließlic­h dem Schützen. Der Moment des Torjubels ist seine persönlich­e Bühne, auf der er seiner Kundschaft Botschafte­n aller Art übermittel­n und sich selbst präsentier­en kann.

Da wären zum einen Marketingg­ründe: Der Däne Nicklas Bendtner hob zum Beispiel nach einem Treffer bei der EM 2012 sein Trikot etwas hoch, damit die Zuschauer einen Blick auf seine hervorblit­zende Unterwäsch­e werfen konnten. Der Grund: Sie zierte den Schriftzug einer irischen Wettfirma. Bendtner erhielt daraufhin eine Strafe von 100.000 Euro und ein Spiel Sperre. Dass die Spieler in solchen Fällen die Strafe selbst zahlen, sollte man natürlich nicht glauben.

Dass aber längst auch politische Motive bei der Torfeierei eine Rolle spielen, bewiesen zuletzt die Schweizer Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri nach ihren Toren im WM-Spiel gegen Serbien. Beide hatten beim 2:1-Sieg nach ihren Treffern mit ihren Händen den doppelköpf­igen Adler geformt, der die

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