Naturfriseurin gibt Streicheleinheiten
Doris Harings benutzt in ihrem Salon nur natürliche Produkte. Die Kunden kommen dafür sogar aus Aachen zu ihr.
WITZHELDEN Heute wird die Kollegin verwöhnt. Maria Frechen hat die Augen geschlossen, während Doris Harings wieder und wieder ganz langsam, aber intensiv mit der Bürste durch deren Haar streicht. Nicht mit irgendeiner Bürste: „Das sind Wildschweinborsten“, erklärt Doris Harings. Und das Ganze nennt sich Bürstenmassage. Diese kann bis zu zehn Minuten dauern und reinigt die Kopfhaut.
Mit dieser Massage beginnt jede Behandlung in Harings Geschäft „Friseur am Markt“. „Die Durchblutung wird angeregt, die Haare liegen danach besser, und wer seine Haare täglich auf diese Weise bürstet, kann das Waschen um Tage und sogar Wochen hinauszögern“, erklärt sie. „Unser Talg ist wie eine Haarkur, und die Bürste verteilt den Talg. Die Spitzen trocknen nicht aus, der Ansatz fettet nicht.“
Diese und viele andere Dinge weiß die erfahrene Friseurmeisterin, weil sie eine der wenigen Naturfriseure ist. Heißt: Sie verwendet ausschließlich natürliche Produkte. „Sämtliche Lotionen, Gels oder Sprays könnte man auch essen oder trinken“, sagt sie. Die Liste der Inhaltsstoffe aus ökologischem Anbau liest sich wie ein Rezept: Kakao, Sonnenblumenöl, Zitronensäure, Heidelbeere, Kaffee und Vanille.
Aber der Verzicht auf jegliche Chemie ist nicht alles. Doris Harings hat beispielsweise auch spezielle Methoden, um das Shampoo aufzutragen, sie macht auf Wunsch einen kalten Abguss (der zieht die Poren zusammen) und macht energetische Haarschnitte. „Mit dieser Methode lassen sich beispielsweise Nackenblockaden lösen, ähnlich wie bei einer Akupunktur.“Außerdem verhelfe diese Technik dem Haar „zu seinem natürlichen Fall“.
Und: Vor der Behandlung sucht sich der Kunde aus Umhängen in acht verschiedenen Farben seinen Favoriten aus. „Die Farben verraten etwas über die jeweilige Stimmung oder über das, was der Kunde gerade braucht, etwa Ruhe, Konzentration oder Zuversicht. Harings: „Viele überlegen sich schon auf dem Weg hierhin, welche Farbe sie wählen.“
In dem Salon im denkmalgeschützten Fachwerkhaus duftet es nach Zitrus, und es ist sehr still. Klatschzeitschriften sucht man vergeblich, in den Regalen stehen Ratgeber, und statt Cappuccino oder Cola gibt es Kräutertee und Getrei- dekaffee. Doris Harings rät außerdem, während der Behandlung nicht in den Spiegel zu schauen. „Das lenkt nur ab.“
Manches mag sich fremd anhören. Aber wer mit der 55-Jährigen spricht, merkt schnell, dass die Mutter zweier erwachsener Kinder keine „Spinnerin“ist. „Ich bin nicht so eine Esoterische“, sagt sie und lacht – was sie übrigens oft tut. „Ich bin auch nicht dogmatisch und verbissen. Ich mag einfach die Natur.“
Dass sie Friseurin werden wollte, zeigte sich schon in ihrer Kindheit. „Ich habe den Barbies die Haare gemacht.“Mit 16 hat sie ihre Ausbil- dung gemacht, mit 22 den Meister, und seit 1993 hat sie ihren eigenen Salon. „Viele meiner Kunden hatten Allergien und Unverträglichkeiten, ich selbst auch – da kam ich ins Grübeln.“Irgendwann hat sie ihre Ernährung umgestellt und das erste Naturfriseur-Seminar absolviert, weitere Fortbildungen folgten.
„Vor zwölf Jahren habe ich dann alle Produkte aus dem Geschäft rausgeschmissen und komplett auf Natur umgestellt. Ich konnte nicht anders, nachdem ich verstanden hatte, was manche Produkte enthalten. Schließlich trage ich die Verantwortung für meine Kunden.“Viele von denen seien geblieben, manche aber auch nicht.
Der Begriff Naturfriseur ist bislang nicht geschützt, dafür kämpft Doris Harings gemeinsam mit den Kollegen der „Bewegung Bewusster Friseure“(BBF). „Wir möchten, dass sich jeder Azubi entscheiden kann, ob er sich zum konventionellen oder zum Naturfriseur ausbilden lässt. Bislang gibt es nur wenige zertifizierte Naturfriseure. Im Umkreis von 40 Kilometer sind es höchstens zwei bis drei“, sagt Doris Harings. Ihre Kunden kommen daher auch aus Aachen, Witten oder Düsseldorf – und 40 Prozent sind Männer.