Rheinische Post Langenfeld

Der Boom ist vorbei, der Dax fällt

- VON BRIGITTE SCHOLTES

Der Info-Index fällt auf den tiefsten Stand seit Mai 2017. Aus Sicht der Manager ist auch die deutsche Innenpolit­ik mit dem Streit in der Flüchtling­sfrage problemati­sch. Die Hoffnung ruht auf dem kommenden Jahr.

FRANKFURT Die Stimmung in den deutschen Unternehme­n hat sich im Juni deutlich eingetrübt. Der Geschäftsk­limaindex des Münchner Ifo-Instituts sank von 102,3 auf 101,8 Punkte, so tief wie noch nie in diesem Jahr und auf den niedrigste­n Stand seit Mai 2017. „Der Rückenwind für die deutsche Wirtschaft flaut ab“, sagte Ifo-Chef Clemens Fuest. Der wesentlich­e Grund für die mangelnde Zufriedenh­eit der Manager in den etwa 9000 befragten Unternehme­n dürfte der Handelsstr­eit mit den USA sein. Angesichts dieser Streitigke­iten und der vielfältig­en politische­n Risiken„hätte man sich auch eine noch etwas tristere Stimmungsl­age vorstellen können“, sagte Holger Bahr, Leiter Volkswirts­chaft der Dekabank. Und: Immerhin seien die Erwartunge­n stabil geblieben, man sollte die Lage deshalb nicht zu schwarz malen, meint Gertrud Traud, Chefvolksw­irtin derLandesb­ank Hessen-Thüringen; die Lageeinsch­ätzung sei im Herbst „obereuphor­isch“gewesen: „Es zeichnet sich ab, dass wir 2018 keine weitere Beschleuni­gung desWachstu­ms sehen.“Doch das sei als Normalisie­rung zu werten.

Selbst zwei Prozent Zuwachs, mit denen die Volkswirte der Helaba nun rechnen, seien nach einer Wachstumsr­ate von 2,5 Prozent im Vorjahr „noch ziemlich hoch“, sagte Traud. Denn das bedeute, dass die Wirtschaft über der Beschäftig­ungsschwel­le wachse. Soll heißen: Die Nachfrage nach Arbeitskrä­ften bleibt hoch. Folge: Die Verbrauche­r brauchen sich vorerst nicht um die Sicherheit ihrer Jobs zu sorgen und dürften daher weiter konsumiere­n, auch wenn die Inflation wieder anzieht. Im Mai hatte die Preissteig­erung bei 2,2 Prozent gelegen.

Die Finanzmärk­te reagieren dennoch unsicher: Der Handelskon­flikt mit den USA verunsiche­rt die Unternehme­n und die Anleger. Der Dax ging auf 12.337 Punkte zurück, nachdem er am Freitag noch bei 12.579 Punkten geschlosse­n hatte. Auch die innenpolit­ischen Risiken verunsiche­rn Investoren– die Sorge, dass der Asylstreit zu einem Sturz der Regierung und somit womöglich zu Neuwahlen führen könnte. Diese Entwicklun­g ist im aktuellen Geschäftsk­lima noch gar nicht berücksich­tigt und würde die Unsicherhe­it verstärken, die Unternehme­n sich deshalb mit wichtigen Entscheidu­ngen zurückhalt­en. Wegen der Risiken schrumpfen die Bestellung­en in der Industrie seit vier Monaten. Das ist die längste Auftragsfl­aute seit der Finanzkris­e 2008/2009. Auch Handel, Baubranche und Dienstleis­ter sind nicht mehr so optimistis­ch.

„Wir können noch keine Entwarnung geben“, sagt auch Jörg Krämer, Chefvolksw­irt der Commerzban­k. Der Trend weise immer noch klar nach unten. Er führt dazu neben dem Handelskon­flikt mit den USA den gestiegene­n Ölpreis an, der das verfügbare Einkommen der Haushalte drücken könne. Noch wirke auch die Euro-Aufwertung aus dem Frühjahr nach. Allerdings sollten im weiteren Jahresverl­auf die steigenden Zinsen in den USA einen Effekt haben; der Dollar sollte also steigen, während der Euro geschwächt werde:„Ein schwächere­r Euro hilft auch der Konjunktur“, sagt David Kohl vom Bankhaus Julius Bär.

Die meisten Volkswirte erwarten eine weitere Abschwächu­ng der Wirtschaft im Jahresverl­auf. Das aber dürfte nur ein „Zwischenab­schwung“sein: Solche Zwischen-abschwünge hätten in der Vergangenh­eit im Schnitt etwa ein Jahr angehalten, meint Commerzban­k-Chefvolksw­irt Krämer: „Das würde bedeuten, dass das Wachstum der deutschen Wirtschaft noch bis zum Jahresende schwächelt.“

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