Das Anschreiben hat ausgedient
Die Deutsche Bahn will von Bewerbern nur noch Lebenslauf und Zeugnisse. Auch in anderen Unternehmen der Region nimmt die Bedeutung von Bewerbungsunterlagen ab – die Caritas Düsseldorf hat sie gleich ganz abgeschafft.
DÜSSELDORFWer will sie noch lesen, Floskeln wie diese? „Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit bewerbe ich mich um die von Ihnen ausgeschriebene Stelle.“Was auf solche Zeilen folgt, ist bestenfalls ein klein wenig kreativ, schlimmstenfalls eine Verschriftlichung des Lebenslaufs vom ersten Schulpraktikum beim Bestatter bis hin zum außergewöhnlichen Hobby„Sumpfschnorcheln“.
Die Deutsche Bahn will sich und ihren Bewerbern solche Anschreiben künftig ersparen. Ab Herbst sollen Bewerber auf Ausbildungsstellen kein Anschreiben mehr einreichen müssen. Stattdessen fordert das Unternehmen nur noch Lebenslauf und Zeugnisse an. „Wir wollen es den Bewerbern so einfach wie möglich machen“, sagt Personalerin Carola Hennemann.„Für Schüler ist so ein Motivationsschreiben schon schwierig“, sagt sie. Die Motivation prüfe das Unternehmen ohnehin im Gespräch. Die Bahn will nun überlegen, bei welchen Berufsgruppen es Sinn macht, auf ein Anschreiben zu verzichten. „Wir schauen, welche Erfahrungen wir damit machen. Und dann werden wir das ausweiten“, sagt ein Sprecher.
Die Bahn ist nicht das einzige Unternehmen, das weniger Wert auf Formales legt. Bei Henkel müssen im Online-Bewerbungsportal nur der Lebenslauf und relevante Zeugnisse hochgeladen werden. Ein Anschreiben ist möglich, aber nicht nötig. „Es vermittelt zwar einen ersten persönlichen Eindruck, doch im persönlichen Kontakt erfährt man viel mehr über den Menschen hinter dem Profil“, erklärt eine Sprecherin. Auch gute Noten seien nicht mehr alles, vielmehr zähle die Gesamtpersönlichkeit.
Für die Entwicklung gibt es verschiedene Gründe. Einer ist der Azubi- und Fachkräftemangel. Die Caritas Düsseldorf, die vor allem in der Altenpflege ausbildet, hatte damit zu kämpfen. 2017 entschied sich der Wohlfahrtsverband, Hürden für Bewerber abzuschaffen und startete die Aktion „Bei Anruf Ausbildung“. Sie ist wörtlich gemeint: Wer anruft, wird zu einem Gruppen-Infotermin eingeladen und kann dort nach kurzer Beratung einen Ausbildungsvertrag unterschreiben. Kein Anschreiben, kein Lebenslauf, kein Blick auf die Noten.
„Wir sind positiv überrascht“, sagt eine Sprecherin der Caritas. Innerhalb eines Jahres hat der Verband die Zahl der Auszubildenden von 27 auf nun 82 erhöht. Mit dem niederschwelligen Verfahren konnten neue Bewerbergruppen gewonnen werden: Elf Geflüchtete und viele Deutsche mit Migrationshintergrund haben die Ausbildung angefangen. „Sie fühlen sich manchmal wohler zu sprechen statt zu schreiben“, sagt die Sprecherin. Die Abbrecherquote unter den so geworbenen Azubis sei nur wenig höher als mit klassischem Bewerbungsverfahren, sagt die Sprecherin. Nun wolle man das Verfahren auch auf andere Stellenausschreibungen ausweiten.
Mehr Bewerber braucht der Chemiekonzern Bayer laut eigenen Angaben nicht: 17.800 Bewerber gab es im vergangenen Jahr für die rund 750 Azubistellen im Unternehmen. Doch gerade weil die Zahl der Interessenten so hoch ist, hat auch Bayer sein Bewerbungsverfahren umgestellt. Zwar müssen Jobanwärter weiterhin Anschreiben, Lebenslauf und Zeugnisse im Online-Portal von Bayer hochladen, das Unternehmen beachtet diese Angaben zunächst jedoch nicht. Je nach Ausbildungsstelle müssen die Bewerber dann einen spezifischen Online-Test von Zuhause aus absolvieren.
„Wir rekrutieren deutschlandweit, und da ist es heute schwieriger mit dem Vergleich der Schulnoten der verschiedenen Bundesländer“, sagt Ausbildungsleiter Dirk Pfenning. „Wir können auch nicht wissen, ob ein Lehrer eher streng oder nicht so streng benotet hat.“Also legt Bayer mehr Wert auf die Testergebnisse und schaut erst danach auf die Bewerbungsunterlagen.
Ganz verzichten will Bayer auf Anschreiben aber nicht. „Sie können ein Anknüpfungspunkt beim Bewerbungsgespräch sein“, erklärt Pfenning. Und er findet: „Ein Anschreiben zu verfassen, ist auch keine verkehrte Übung.“Denn wer sich in dem Text schon einmal mit dem Unternehmen und der eigenen Motivation befasst hat, der habe es später im Gespräch einfacher.( mitdpa)