65 Mieter müssen Hochhaus verlassen
Wegen Brandschutzmängeln müssen die Bewohner eines Bochumer Hochhauses aus ihren Wohnungen. Zwei Wochen haben sie Zeit, um ihre Koffer zu packen. Zuvor gab es schon Räumungen in Duisburg, Dortmund und Wuppertal.
BOCHUM Es sei einst das schönste Gebäude der Stadt gewesen, meint eine Bewohnerin des Hochhauses an der Wittenerstraße nahe des Bochumer Hauptbahnhofes. AlsVorzeigeobjekt moderner Stadtarchitektur ist das Gebäude bei der Fertigstellung vor 50 Jahren gefeiert worden mit seinen zwölf Stockwerken, Ladenzone, Grünbereichen und Garagenplätzen. Neben Wohnungen hat es zu Beginn ein schickes Hotel beherbergt und die Diskothek „Macao“, die in den 80er Jahren Nachtschwärmer aus dem ganzen Ruhrgebiet angelockt hat. Doch der Lack ist längst ab. Das Hochhaus muss wegen akuter Brandschutzmängel aufwendig saniert werden. Die derzeit rund 70 Bewohner müssen raus. Zwei Wochen haben die Mieter Zeit, um ihre Koffer zu packen. Wann sie zurückkehren dürfen, ist ungewiss.
Festgestellt wurden die Mängel bei einer Besichtigung des Gebäudes.„Die Trennwände derWohnungen und der Flure entsprechen nicht mehr den aktuellen Brandschutzrichtlinien“, erklärt ein Sprecher der Stadt. Die Räumung sei deshalb leider unumgänglich: Gemeinsam mit dem Hauseigentümer werde fieberhaft nach Ersatzwohnungen gesucht.
Hintergrund der Überprüfung des Gebäudes an der Wittenerstraße ist unter anderem der verheerende Hochhausbrand in London im vergangenen Sommer, bei dem 71 Menschen gestorben sind. Seit- dem steht der Brandschutz auch in NRW in der Kritik. Kommunen überprüfen Hochhäuser hinsichtlich Risikofaktoren wie Entflammbarkeit der Außenfassade, Gebäudehöhe und die Situation der Fluchtwege im Brandfall.
Mehrere Gebäude in NRW haben dieser Überprüfung schon nicht standgehalten. Zuerst eines inWuppertal, wo rund 80 Bewohner innerhalb weniger Stunden raus mussten. Erst nach vier Wochen durften sie zurück in ihreWohnungen. Auch in Duisburg mussten die Bewohner einer Hochhaussiedlung wegen Brandschutzmängel vorübergehend aus ihren Wohnungen. Am bislang schlimmsten traf es bislang aber die rund 800 Mieter des Gebäudekomplexes „Hannibal“in Dortmund. Die bekannte Hochhaussiedlung ist seit Februar wegen erheblicher Brandschutzmängel versiegelt. Niemand darf mehr ohne behördliche Genehmigung hinein. Bis 2020 soll das Gebäude angeblich saniert werden. Die ehemaligen Mieter muss- ten sich neue Unterkünfte suchen. Der Eigentümer, die ImmoNex Property GmbH, hat im Gebäude ein Büro als Anlaufstelle für die Mieter eingerichtet, die Hilfe beim Umzug benötigen.
Der Bauordnung des Landes NRW zufolge handelt es sich bei einem Gebäude um ein Hochhaus, wenn der Fußboden des obersten Geschosses mindestens 22 Meter über dem Erdboden liegt. Ab dieser Höhe gelten besondere Brandschutzanforderungen, weil unter anderem die Drehleitern der Rettungskräfte nicht höher reichen. Auch die Fassaden-Dämmung unterliegt ab dieser Höhe strengeren Kriterien. Problematisch sind nach Meinung von Sachverständigen daher auch Wohngebäude, die über mehrere Stockwerke verfügen, aber knapp unter diesen 22 Metern liegen, „weil dort sehr häufig entflammbares Dämmmaterial verbaut worden ist“, heißt es beim Eigentümerverband „Haus und Grund“. Man könne laut des Verbandes deshalb sagen, dass alle Gebäude ab 22 Metern eine sicherere Dämmung haben als die, die darunter liegen.
Im Hochhaus in Bochum wird bis zum Auszug der Bewohner eine 24-Stunden-Brandwache eingerichtet. Außerdem überwacht eine mobile Brandmeldeanlage Flure, gewerbliche Räume und Teile des Kellergeschosses. Bei einem Rauchmelder-Alarm wird die Feuerwehr automatisch alarmiert. Im Falle eines Brandes rücken zwei Löschzüge aus.