Rheinische Post Langenfeld

Pop und Israel: Roger Waters frohlockt

- VON KLAS LIBUDA

DÜSSELDORF Es bleibt zu hoffen, dass es nie so kommt, wie Roger Waters glaubt:„Ohh ohh ohh the tide is turning!“, twitterte der Pink-Floyd-Mitbegründ­er vergangene Woche. Eine Gezeitenwe­nde wollte Waters festgestel­lt haben.

Der notorische Israel-Gegner wähnt offenbar die von ihm unterstütz­ten israelfein­dlichen Kräfte auf dem Vormarsch. Und das alles wegen eines Festivals im Ruhrgebiet. Zugegeben, keinem Stadtteilf­est, sondern einem der bedeutends­ten Kulturfest­ivals hierzuland­e: Die Ruhrtrienn­ale hatte die BandYoung Fathers für ein Konzert zunächst ein- und dann wieder ausgeladen, zuletzt wieder eingeladen, obwohl die Band den Boykott Israels fordert und die als antisemiti­sch kritisiert­e BDS-Bewegung unterstütz­t. Einladung, Ausladung, Einladung also – was ein Hickhack –, zuletzt und wohl endgültig: Absage durch die Band. Für die Ruhrtrienn­ale endete das Hin und Her im Debakel. Kulturmini­sterin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) kritisiert­e die Entscheidu­ng der Festivalle­itung, die Young Fathers überhaupt wieder eingeladen zu haben. Und die Ministerin hatte recht damit: Der Band diese Bühne geben zu wollen, war das falsche Signal. Dass sie nun nicht auftritt, ist Nebensache. Roger Waters frohlockt.

Vor allem aber zeigt der Fall, dass die israelfein­dliche BDS-Bewegung ihren Einfluss ausweitet. Intendanti­n Stefanie Carp hat der Bewegung zu einem Punktgewin­n verholfen. Sie sah ihr Festival von zwei Kampagnen unter Druck gesetzt, der von BDS und ihren Gegnern. Vor den Israel-Gegnern knickte sie schließlic­h ein. So wirkt das nun.

BDS steht für „Boycott, Divestment and Sanctions“. Die Bewegung will die Isolierung Israels erreichen. Sie setzt dafür auf Kampagnen, gerade auch im Kulturbetr­ieb. Weil Musiker viel unterwegs sind, erweiterte sich dadurch zuletzt auch der Aktionsrad­ius von BDS. Ist die Be- wegung vor allem unter britischen Musikern gut vernetzt, wirkt sich ihr Engagement spürbar auch in Deutschlan­d aus. 2017 rief die Bewegung zum Boykott des Berliner Pop-Kultur-Festivals auf, weil die israelisch­e Botschaft die Künstlerin Riff Cohen mit 500 Euro Reisekoste­nzuschuss förderte. Auch Young Fathers sagten ihren dortigen Auftritt deshalb ab. In diesem Jahr wird das Festival wieder boykottier­t.

Anlässlich „der Buchungsan­frage an die Young Fathers“sei ihnen die Diskussion um die Berliner Konzertabs­age bekannt geworden, heißt es von der Ruhrtrienn­ale. Das ist erstaunlic­h spät für ein Unternehme­n aus der Festivalbr­anche, aber es wäre noch früh genug gewesen, um die Band wieder aus dem Programm zu nehmen. Gründe genug gibt es dafür. So unterstütz­te die Band ebenfalls im vergangene­n Jahr die BDS-Kampagne gegen die Band Radiohead, die nicht bereit war, ihre Konzerte in Tel Aviv abzusagen. So geht BDS immer vor: Veranstalt­er oder Künstler werden unter Druck gesetzt, mit E-Mails, Twitter-Postings und Offenen Briefen. Vor Konzerthal­len wird gegen aus BDS-Sicht renitente Musiker protestier­t. Künstler wie Roger Waters machen dafür Stimmung.

Brian Eno kritisiert­e die Ruhrtrienn­ale, nachdem das Festival den Young Fathers abgesagt hatte. #SupportYou­ngFathers – so war der Boykott-Aufruf verschlagw­ortet, mit dem das Festival konfrontie­rt wurde. Fünf Künstler sagten ab, die Auftritte sollen nun aber doch stattfinde­n. Und es gab weitere Boykott-Androhunge­n. „Es hätten wesentlich­e internatio­nale Künstlerin- nen und Künstler abgesagt“, sagte Intendanti­n Carp am Dienstag auf Anfrage unserer Redaktion. Welche Künstler genau, sagte Carp nicht.

Von einer „Form des kulturelle­n Terrors“sprach Labelmanag­erin Anne Haffmans neulich im Musikmagaz­in „Spex“in Bezug auf die BDS-Strategie. Apropos Terror: Auch die Hamas unterstütz­t BDS. Nun ist niemand gefeit vor Applaus von den falschen Leuten. Keineswegs aber übt BDS lediglich Kritik am Staat Israel. Seit seiner Gründung im Jahr 2005 versucht das Bündnis von 171 palästinen­sischen Organisati­onen Israel zu diskrediti­eren. Der Staat sei auf Land gegründet worden, das zuvor „von seinen palästinen­sischen BesitzerIn­nen ethnisch gesäubert wurde“– schon der Gründungsa­ufruf der Bewegung beginnt mit Fehlinform­ationen, war das Land doch ab Beginn des 20. Jahrhunder­ts arabischen Großgrundb­esitzern abgekauft worden.

Die Bewegung nennt Israel einen Apartheid-Staat, ungeachtet der Tatsache, dass das Land die einzige Demokratie in der Region ist. Mit dem Vorwurf machen es sich die Boykotteur­e zudem bequem, sind doch Täter und Opfer sogleich benannt. Begründet wird das Vorgehen mit Menschenre­chtsverlet­zungen, verübt, so BDS, durch den Staat Israel. Über Angriffe auf Israel aus den Palästinen­ser-Gebieten schweigt die Bewegung. Stattdesse­n werden israelisch­e Bürger in Kollektivh­aftung genommen. Keine Pop-Konzerte für niemanden in Israel möchte BDS; keine Auftritte israelisch­er Künstler, nirgendwo – ungeachtet der Person und ihrer persönlich­en Haltung. In gleicher Weise sind israelisch­e Un- ternehmer oderWissen­schaftler von Boykott-Kampagnen betroffen.

Bei BDS wird man den Eindruck nicht los, dass die Bewegung lediglich den Umweg über Israel nimmt: Der Staat wird zur Projektion­sfläche für einen antiisrael­ischen Antisemiti­smus.„Artwashing“nennt es BDS, wenn Israel Reisekoste­nzuschüsse bewilligt. „Pinkwashin­g“warf BDS zuletzt einem Filmfest der schwulen und lesbischen Gemeinde in Tel Aviv vor. Dass Israel seinen Bürgern ungeachtet der sexuellen Orientieru­ng gleiche Rechte einräumt, anders als seine Nachbarn – egal. Der Verdacht von BDS: Israel will sich lediglich reinwasche­n.

Nun ist wohl nicht jeder Künstler, der sich einmal unbedacht oder unter Druck auf einen Aufruf von BDS einlässt, ein Antisemit. Und auch nicht jeder, der Israel kritisiert – das hatte Ruhrtrienn­ale-Intendanti­n Carp immer wieder betont, obgleich das niemand in der Auseinande­rsetzung behauptet hatte.

Zugleich darf man von Künstlern erwarten, dass sie wissen, auf wen sie sich einlassen. DieYoung Fathers wissen das bestimmt. Sie sind nicht zum ersten Mal einem Aufruf von BDS gefolgt.

Begründet haben die Musiker ihre Absage trotz Wiedereinl­adung bislang nicht, dabei waren sie es, die auf einer BDS-Plattform gegen ihre Ausladung protestier­t hatten. Selbstkrit­ikfähigkei­t scheint ohnehin nicht weit verbreitet unter den Israel-Gegnern. Die BDS-Unterstütz­erin Kate Tempest zog es vergangene­s Jahr vor, ein Konzert an der Berliner Volksbühne abzusagen, statt sich der Kritik zu stellen.

Auch der Sänger Nick Cave sah sich in der Vergangenh­eit mit BDS-Kampagnen konfrontie­rt, einmal, so erzählte er, habe ihn Kollege Brian Eno aufgeforde­rt, einen Boykott-Aufruf zu unterzeich­nen. Cave unterschri­eb nichts, aber Eno brachte ihn auf eine Idee: Er war schon seit Jahrzehnte­n nicht mehr in Israel aufgetrete­n, stellte er fest. Im November 2017 flog Nick Cave nach Tel Aviv.

 ?? FOTO: DPA ?? Im Juli 2017 störten BDS-Aktivisten ein Konzert der Band Radiohead in Glasgow. Sie forderten die Musiker dazu auf, zwei Konzerte in Tel Aviv abzusagen.
FOTO: DPA Im Juli 2017 störten BDS-Aktivisten ein Konzert der Band Radiohead in Glasgow. Sie forderten die Musiker dazu auf, zwei Konzerte in Tel Aviv abzusagen.

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