Rheinische Post Langenfeld

Moderieren gegen den Hass im Netz

- VON DANIEL FIENE

Nur Hass im Netz? Autoren einer Studie haben Leserkomme­ntare analysiert und geben Handlungse­mpfehlunge­n.

BERLIN Hass im Netz – wie ernst das Problem auch für Medien ist, zeigt ein Blick auf Leserkomme­ntare bei Nachrichte­nwebseiten und Facebook. Viele Nutzer kommentier­en nicht mehr mit und überlassen Pöblern das Feld. Doch wie können Redaktione­n nicht nur die Flut an Kommentare­n bewältigen, sondern die Diskussion verbessern?

Eine Studie der Uni Bremen und Hamburg Media School zeigt: Medien sollten Hassbotsch­aften und illegale Inhalte nicht nur löschen, sondern sich aktiv in den Diskussion­en beteiligen – auch wenn das zeitintens­iv ist. Dazu ruft die Landesanst­alt für Medien in NRW auch auf, die die Studie in Auftrag gegeben hat. „Für das demokratis­che Medium Internet ist Hassrede eine Gefahr, wenn die Lauten die Anderen zurückdrän­gen“, erklärt Direktor Tobias Schmid die Motivation am Dienstag in Berlin.

Tatsächlic­h ist nur ein Prozent der Nutzer für Hasskommen­tare verantwort­lich. Dies müssen sich auch Medienmach­er vor Augen halten, mahnt Professor Stephan Weichert von der Hamburg Media School: „Es entsteht der Eindruck, dass die Journalist­en aufgegeben haben, mit den Nutzern zu sprechen.“Mit Leif Kramp von der Universitä­t Bremen haben die Wissenscha­ftler Diskussion­sverläufe bei vier großen Nach- richtenweb­seiten (Tagesschau, Deutschlan­dfunk Kultur und RTL Aktuell und RP Online) analysiert und zehn Handlungse­mpfehlunge­n für Journalist­en ausgearbei­tet.

„Rund zwei Drittel der Kommentare bestehen bei konflikttr­ächtigen Diskursen aus themenfrem­denVerungl­impfungen oder Hetze“, fasst Leif Kramp zusammen. Es gebe wenige, aber dafür schnell erkennbare Negativkom­mentatoren. „Oft geht es in den Diskussion­en gar nicht um die Nachricht, sondern Themen werden gekapert“, ergänztWei­chert.

Doch die Kommunikat­ionswis- senschaftl­er raten weder dazu, die Kommentarb­ereiche komplett zu schließen, noch Diskussion­en auf Facebook zu unterbinde­n – auch wenn das Image durch Negativkom­mentare zunächst leidet. Wie die Studie zeigt, können Medien dann Diskussion­en wieder einladende­r gestalten, wenn sie sich aktiv daran beteiligen.„Man muss in den Dialog investiere­n“, erklärt Kramp. Dass Löschen alleine nicht reicht, sieht auch Medienwäch­ter Tobias Schmid so. Manchmal bekämen die Absender nicht mit, wenn ihre Kommentare für andere ausgeblend­et wer- den, da sie für sie noch sichtbar sind. „Die Leute verstehen nicht, warum gelöscht wird und freie Meinungsäu­ßerung auch ihre Grenzen hat.“

Aus diesem Grund will die Medienanst­alt nicht nur Journalist­en schulen, sondern hat auch die Initiative „Verfolgen statt Löschen“ins Leben gerufen, bei der Medien und Strafverfo­lgung in NRW enger zusammenar­beiten. 180 Hasskommen­tare sind schon angezeigt worden. In mehr als 30 Fällen wird ermittelt. Das Signal: Es ist nicht folgenlos, wenn man gedankenlo­s Kommentare veröffentl­icht.

 ?? FOTO: DPA ?? Der Hashtag „#Hass“ist auf einem Bildschirm in Berlin zu sehen.
FOTO: DPA Der Hashtag „#Hass“ist auf einem Bildschirm in Berlin zu sehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany