Kohlekommission ringt um Ausstiegsdatum
Unter dem Motto „Sonne statt Kohle“trommelt Greenpeace für einen raschen Ausstieg. Die Wirtschaft bangt um Jobs, Geschäft und günstigen Strom. Ob bis Jahresende der Ausstieg geklärt werden kann, ist zweifelhaft.
BERLIN Den Kampf der Bilder hat am Dienstag Greenpeace gewonnen: Mit 3500 Litern gelber Farbe, abwaschbar und ökologisch abbaubar, färbte die Umweltorganisation den Kreisverkehr um die Siegessäule in Berlin ein. „Sonne statt Kohle“lautete das Motto, das Greenpeace zum Start der Kohlekommission ausgab. „Der verschleppte Ausstieg ruiniert Deutschlands Klimabilanz und bremst die Modernisierung des Energiesystems“, so Greenpeace. Die Kommission müsse klären, wie Deutschland bis 2020 so viel Kohlenstoffdioxid (CO2) einsparen kann, dass es wieder auf Kurs ist.
Ursprünglich wollte Deutschland den CO2-Ausstoß 2020 gegenüber 1990 um 40 Prozent senken. Das Ziel hat die Regierung Merkel im Koalitionsvertrag aufgeweicht. Sie bekennt sich aber zu den Pariser Klimazielen. So soll der CO2-Ausstoß in Deutschland bis 2030 um 55 Prozent sinken, bis 2050 um mindestens 80 Prozent.
Da bei der Kohle-Verstromung besonders viel CO2 entsteht, soll die Kommission nun einen Ausstiegspfad festlegen. Am Dienstag traf sich die Kommission erstmals, ausgerechnet im Ludwig-Erhard-Saal des Bundeswirtschaftsministeriums, wenngleich ihr Konzept nicht viel mit Marktwirtschaft zu tun haben wird. Schon der Koalitionsvertrag hält fest, dass ein Fonds für Strukturwandel aus Mitteln des Bundes finanziert wird.
Die Einsetzung der Kommission verlief holprig. Mit 28 stimmbe- rechtigten Mitgliedern ist sie zu groß für sinnvolle Arbeit. Geführt wird sie von den früheren Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) und Stanislaw Tillich (CDU), von Ronald Pofalla (früher Kanzleramtschef, CDU) und Klimawissenschaftlerin Barbara Praetorius. Platzeck sprach gestern von einer „riesengroßen Herausforderung“.
Im Fokus steht die Braunkohle, aus der ein Viertel des deutschen Stroms erzeugt wird. Bei der Verfeuerung einer Tonne Braunkohle entsteht im Schnitt eine Tonne CO2. Zugleich ist Braunkohle ein wichtiger Arbeitgeber: Im rheinischen Revier hängen direkt fast 10.000 Arbeitsplätze an ihr, bei Zulieferern weitere 25.000. In der Lausitz sind es 15.000 Stellen. RWE will bis Mitte des Jahrhunderts Braunkohle in Garzweiler abbauen. Mit Blick auf die Versorgungssicherheit hatte RWE-Chef Rolf Martin Schmitz vor einem Ausstieg 2030 gewarnt, zumal 2022 die letzten Atomkraftwerke vom Netz gehen. Zugleich ist Strom aus Braunkohle günstig, da die Blöcke meist abgeschrieben sind. Die energieintensive Industrie (Aluminium, Chemie) wehrt sich daher auch gegen einen frühen Ausstieg.
Bei Steinkohle sieht die Klimabilanz besser aus: Hier fällt zehn Prozent weniger CO2 an. Doch auch Stein-
kohle-Verstromer warnen.„Hier sind viele Aspekte sorgfältig abzuwägen. Ich hoffe auf ein sachorientiertes und verbindliches Ergebnis, das bestmöglich die verschiedenen Perspektiven in der Kommission nutzt, aber auch die vielen Erkenntnisse und Erfahrungen, die wir in den vergangenen Jahren mit der Energiewende in Deutschland sammeln konnten“, sagt EnBW-Chef Frank Mastiaux.
Sein Kollege Klaus Schäfer von Uniper meint: Nach Datteln 4 werde in Deutschland ohnehin kein neues Kohlekraftwerk mehr gebaut. „Der Kohleausstieg findet damit faktisch bereits statt. Wer aussteigen will, muss sagen, wie es weitergeht und die Kosten im Blick behalten“, sagt Schäfer.
Am 13. Juli trifft sich die Kommission erneut. Bis Ende des Jahres soll sie ein Konzept vorlegen, das Basis des neuen Klimaschutz-Gesetzes werden soll. Den Zeitdruck hält der RWE-Chef für unverantwortlich.