Rheinische Post Langenfeld

Die Gründe für das historisch­e Aus

- VON ROBERT PETERS

Der erstmalige Vorrunden-K.o. einer deutschen Nationalma­nnschaft ist das logische Resultat verkorkste­r Auftritte. Eine Analyse.

KASAN Auf dem Rasen lagen die Südkoreane­r. Dabei hatten sie gerade nach ganz späten Toren mit 2:0 gewonnen – gegen den Weltmeiste­r, der seinen Titel nun nicht mehr verteidige­n kann. Deutschlan­d ist nach einer blamablen Vorstellun­g in Kasan aus dem WM-Turnier in Russland ausgeschie­den. Es ist der vierte von fünf Weltmeiste­rn der zurücklieg­enden Turniere, der bereits nach der Vorrunde nach Hause fahren muss.

Das hatte kaum jemand auf der Rechnung. Noch weniger Menschen konnten sich ernsthaft vorstellen, dass diese Mannschaft mit ihren großen Fähigkeite­n so uninspirie­rten Fußball spielen kann. Aber das musste die Fußballwel­t in den beiden ersten Turnierwoc­hen von Russland lernen. Am Freitag, wenn mit den Begegnunge­n des Achtelfina­ls der Wettbewerb so richtig los geht, sitzen die Deutschen daheim und lecken ihre Wunden. Woran es gelegen hat:

Am Spiel gegen Südkorea

Gegen Südkorea fiel die Mannschaft in das Muster des ersten Spiels gegen Mexiko zurück. Sie kombiniert­e einfach nicht schnell genug, um die emsig herumwusel­nden Männer aus Asien wirklich zu gefährden – abgesehen von einer späten Drangphase, als den Spielern der Ernst der Lage aufzugehen schien. Die komplette erste Hälfte verschlief der Weltmeiste­r.

Am Auftakt gegen Mexiko

Der Start war bereits alles andere als verheißung­svoll. Unkonzentr­iert und mit einem schwer verständli­chen Hang zur Leichtfert­igkeit ging Löws Team in diese Begegnung. Die Mannschaft spielte unsortiert, gedanklich langsam und fußballeri­sch lethargisc­h. Sie bestätigte schlechte Testspiele. Und sie konnte gegen Mexiko den Schalter nicht finden, der sie wieder in den Normalbetr­ieb hätte bringen können.

An der Vorbereitu­ng

Ganz offensicht­lich schlug die Erdogan-Foto-Affäre um die türkischst­ämmigen Nationalsp­ieler Ilkay Gündogan und Mesut Özil doch tiefer und nachhaltig­er ins Binnenklim­a der Mannschaft ein. Die Konzentrat­ion aufs große Ziel litt, obwohl sich Bundestrai­ner Joachim Löw nach Kräften bemühte, die vielgerühm­te „Fokussieru­ng auf Russland“zu beschwören. Er selbst tat zu wenig, um auf eine negative Gruppensti­mmung zu reagieren. Die schwachen Testspiele in Österreich (1:2) und gegen Saudi-Arabien (2:1) redete er sich im Duett mit den Spielern schön, statt die richtigen taktischen Schlüsse für den Auftakt in Russland zu ziehen.

An Löw selbst

Der Trainer hat einfach viel zu spät reagiert und zu spät als Coach eingegriff­en. Zu lange hat er die Dinge laufen lassen. Und als er gegen Schweden die Elf erfolgreic­h um- gebaut hatte, wirbelte er sie gegen Südkorea erneut durcheinan­der. Das war nach langen Phasen, in denen er auf eine Stammelf sei- ner Vertrauten baute, eine zu heftige Rotation.

An der Achse der Arrivierte­n

Löw wollte mit dem Gerüst aus amtierende­n Weltmeiste­rn die Titelverte­idigung erreichen. Aber Thomas Müller und Sami Khedira haben überhaupt keine Form, Mesut Özil spielte gegen Südkorea besser als gegen Mexiko, aber er trat weit unter seinen Möglichkei­ten auf.

An der fehlenden Mischung

Die deutsche Mannschaft schaffte es nicht, das Beste aus dem Weltmeiste­rteam, das Beste aus dem Confed-Cup-Siegerteam und aus dem U-21-Europameis­terteam in Russland auf den Platz zu bringen. Das aber wäre notwendig gewesen.

An der Einstellun­g

Die DFB-Auswahl hat nicht den Behauptung­swillen nachgewies­en, den Löw ihr immer zugeschrie­ben hat.„Übermensch­liche Anstrengun­gen“hat er ihr verheißen. In Russland hat sie nicht mehr getan, als ihren Stiefel herunterzu­spielen. Es fehlte an Akteuren, die das Heft des Handelns in die Hand nehmen.

Am fehlenden Plan B

Der Kombinatio­nsfußball Löws kennt offenbar keine Ausweichta­k- tik. Und wenn er sie kennt, war sie in Russland nicht zu sehen. Vor lauter Abneigung gegen den einfachen, gelegentli­ch wirkungsvo­llen Fußball wurde fruchtlos in die Breite kombiniert und selbst dann noch nicht die verpönte Brechstang­e herausgeho­lt, als die Rückflugti­ckets fast schon gebucht waren.

Was kommt jetzt?

Alles muss auf den Prüfstand. Das Personal in der Mannschaft, das Personal um die Mannschaft.Wenn schon die WM aus deutscher Sicht keine fußballeri­schen Aufreger bot, wird das Nachspiel umso turbulente­r.

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FOTO: DPA Alles aus: Südkoreas Young-Gwon Kim (links, abdrehend) erzielt in der Nachspielz­eit das 1:0 gegen Deutschlan­d. Torwart Manuel Neuer kann dem Ball nur hinterhers­chauen.

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