Rheinische Post Langenfeld

Gute Zeiten, schlechte Zeiten

- VON CLEMENS BOISSERÉE

Deutschlan­ds Basketball­er spielen um die Qualifikat­ion zur WM. Die Partie gegen Österreich ist vor allem für NBA-Star Dennis Schröder ein Heimspiel – unter ungewissen Vorzeichen.

BRAUNSCHWE­IG Um wie viel Uhr Deutschlan­d spielt? Da zuckt der Bundestrai­ner mit den Schultern. Ob das Team denn gemeinsam die Spiele der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft verfolgt?„Nee. Also vielleicht. Ich weiß es nicht. Ich konzentrie­re mich gerade auf andere Dinge“, sagt Henrik Rödl. Eine gute Entscheidu­ng des 49-Jährigen, der so das trostlose Ausscheide­n der DFB-Auswahl nicht näher verfolgen musste und sich stattdesse­n auf die kommenden Aufgaben fokussiere­n konnte. Schließlic­h stehen für die Basketball-Nationalma­nnschaft und ihren Bundestrai­ner zwei wichtige Pflichtspi­ele gegen Österreich (Freitag) und in Serbien (Montag) an. Es geht um die Qualifikat­ion für die eigeneWM in China im Sommer 2019. An einem solchen Turnier durfte das deutsche Team zum letzten Mal vor acht Jahren teilnehmen, damals noch mit dem mittlerwei­le 40-jährigen Dirk Nowitzki.

Wenn sich dieser Tage die heutige Auswahl trifft, wäre Nowitzki wohl nicht mal mehr der Beste unter ihnen. Bis zu acht Deutsche könnten kommende Saison in Übersee in der NBA spielen, andere stehen in der besten europäisch­en Liga in Spanien unter Vertrag. Mit Dennis Schröder hat das DBB-Team wieder einen echten Star, der in der vergangene­n Spielzeit sein NBA-Team – die Atlanta Hawks – als bester Punktesamm­ler anführt und selbiges seit Nowitzkis Rücktritt auch in der Nationalma­nnschaft tut. Für Schröder steht gegen Österreich ein besonderes Spiel an. Der DBB gastiert in Braunschwe­ig, Schröders Heimatstad­t. Über 60 Karten hat er für Familie und Freude geordert. Entspreche­nd motiviert tritt der Spielmache­r schon im Training auf: Er dirigiert und motiviert, er dribbelt und wirft, und alles mit diesem Selbstbewu­sstsein, das ihm vor allem in Deutschlan­d häufig als Arroganz ausgelegt wird. Doch auch in den USA ist Schröder nicht unumstritt­en, spätestens seit er vor gut einem Jahr in Atlanta in eine nächtliche Schlägerei verwickelt war, die Ermittlung­en dazu laufen immer noch. „Die Sache ist bald erledigt“, sagt der 24-Jährige lapidar. Doch sein Team hat vor wenigen Tagen in Trae Young seinen potenziell­en Nachfolger verpflicht­et. Der ist ein Toptalent, und Schröder soll ihn anleiten – oder gehen. „Wenn ich wieder in Atlanta bin, muss ich besprechen, was in Zukunft passiert. Wenn das nicht in die richtige Richtung geht, will ich halt zu einem anderen Team“, sagte Schröder salopp.

Zunächst liegt der Fokus jedoch auf Deutschlan­d. Auf Braunschwe­ig. Auf der Nationalma­nnschaft. Die vertraut ihrem jungen Anführer und stellt ihm hochklassi­ge Mitspieler an die Seite, beispielsw­eise Maximilian Kleber von den Dallas Mavericks. „Es sah rund um Dirks Rücktritt mal nicht so gut bei uns aus, aber mittlerwei­le haben wir eine enorme Breite im Kader, können auf Ausfälle reagieren, ohne großartig Qualität zu verlieren“, sagt beispielsw­eise Robin Benzing. Er ist mit 29 Jahren einer der Ältesten im aktuellen Kader und hat den Übergang von Nowitzki zu Schröder komplett miterlebt. „Wenn wir alle zusammen haben, können wir in Europa, aber auch bei einerWM etwas erreichen“, sagt der Würzburger.

Die bisherigen vier Spiele der WM-Quali gewann das deutsche Team, und so lebt die Hoffnung, nach 2010 mal wieder die Qualifikat­ion für ein globales Turnier zu erreichen. Der Erfolg wäre auch die Folge eines Umbruchs im deut- schen Basketball. Denn die Bundesliga hat in den vergangene­n Jahren entdeckt, dass sie einheimisc­he Aushängesc­hilder entwickeln muss, um die Hallen zu füllen. Der DBB investiert mehr in Trainer und den Breitenspo­rt. Im Ergebnis steht Bundestrai­ner Henrik Rödl heute eine so lange nicht da gewesene Masse starker Spieler zur Verfügung. „Es ist eine gute Zeit, um Nationaltr­ainer zu sein“, sagt Rödl. Der Europameis­ter von 1993 hat den Prozess selbst angetriebe­n, leitete nach seinem Karriereen­de die A2- und die U20-Auswahltea­ms und erntet nun die Früchte, auch wenn er bescheiden sagt: „Es wird von vielen Seiten tolle Arbeit geleistet. Wir haben großes Talent, und es kommt noch sehr viel Talent nach.“So fehlen in Braunschwe­ig mit Daniel Theis (26) und Paul Zipser (24) zwei wei-

tere NBA-Profis verletzung­sbedingt.

Nimmt der Bundestrai­ner diese Ausfälle noch gelassen hin, droht ab Herbst ein echter Engpass. Grund dafür ist vor allem der vom Basketball-Weltverban­d FIBA neu eingeführt­e zweiteilig­e WM-Qualifikat­ionsmodus. Die erste Runde geht mit den beiden anstehende­n Spielen der DBB-Auswahl gegen Österreich und Serbien zu Ende. Die folgende Endrunde wird im September, vor allem aber im November und Januar 2019 ausgetrage­n – wenn die NBA-Saison läuft und Stars wie Dennis Schröder nicht von ihren Teams freigestel­lt werden.

Zusätzlich liefern sich FIBA und die Verantwort­lichen der „Euro League“– der Königsklas­se im europäisch­enVereinsb­asketball – eine Auseinande­rsetzung um Spieltermi­ne. Nach aktuellem Stand stehen die involviert­en Nationalsp­ieler von Meister Bayern München sowie die Spanien-Legionäre Tibor Pleiß oder JohannesVo­igtmann in der Endrunde nicht zur Verfügung, weil sie zeitgleich „Euro League“spielen müssen. Voigtmann sagt: „Die Situation ist eine Katastroph­e. Sie ist für alle Beteiligte­n schlecht, vor allem für uns Spieler. Es muss eine Lösung gefunden werden.“Zum Beispiel nach Vorbild von König Fußball. Voigtmann: „Dort schafft man es, Termine vernünftig zu verteilen.“

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FOTO: DPA Der Star der deutschen Basketball-Nationalma­nnschaft: Dennis Schröder.

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