EU stützt Merkel im Asylstreit
Europa macht die Grenzen dicht, und die Kanzlerin findet Partner für die Rücknahme von Flüchtlingen. Damit wird der Spielraum für einen Alleingang Seehofers sehr eng.
BRÜSSEL/BERLIN Die EU-Staaten verschärfen geschlossen ihre Abwehr von Flüchtlingen und stützen Bundeskanzlerin Angela Merkel im Machtkampf mit der auf nationale Alleingänge setzenden CSU. Die 28 Staats- und Regierungschefs einigten sich in einer harten Verhandlungsnacht in Brüssel auf mehr Geld für die EU-Grenzschutzagentur Frontex und auf die höchst umstrittene Einrichtung geschlossener Aufnahmelager in afrikanischen Staaten. Hinzukommen sollen„kontrollierte Zentren“innerhalb der EU, allerdings nur auf freiwilliger Basis. Darüber hinaus vereinbarte die CDU-Chefin mit Griechenland und Spanien Abkommen, wonach dort registrierte und nach Deutschland weitergereiste Flüchtlinge zurückgeschickt werden können. Außerdem solle mit einer „Vielzahl“von Ländern Verwaltungsvereinbarungen geschlossen werden, um Menschen aus sicheren Herkunftsländern schneller abzuschieben. Dazu soll das deutsche Asylgesetz geändert werden. Das kündigte Merkel am Freitag in Brüssel an.
Damit dürfte Innenminister Horst Seehofer (CSU) seine Drohung kaum wahrmachen können, ab Sonntag Flüchtlinge im Alleingang an der deutschen Grenze zurückweisen zu lassen. Die CSU hatte „wirkungsadäquate“Vereinbarungen auf EU-Ebene gefordert. Merkel sagte, die Gipfel-Beschlüsse seien „mehr als wirkungsgleich“. Sie seien „ein substanzieller Fortschritt“. Sie betonte erneut, die Flüchtlingskrise von 2015 mit 890.000 zugewanderten Flüchtlingen in Deutschland dürfe sich nicht wiederholen. Es liege noch ein langer Weg vor der EU, es sei aber ein „robuster Rahmen“für eine gemeinsame Asylpolitik geschaffen worden. An ihrer Grundeinstellung habe sich nichts verändert: Deutschland dürfe „nicht unilateral, nicht unabgestimmt und nicht zu Lasten Dritter“handeln.
Sollte sich CSU-Chef Seehofer dennoch für einen deutschen Alleingang entscheiden, gelten seine Entlassung durch Merkel und damit der Bruch der Koalition als wahrscheinlich. Aus CDU und CSU waren aber versöhnliche Töne zu hören. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte unserer Redaktion: „Ein solches Ergebnis war vor Wochen nicht zu erwarten gewesen.“Merkel habe in Europa vorangetrieben, „was wir in der Union wollen und was auch in der Koalitionsvereinbarung so angesprochen ist: Die Migration besser zu steuern und zu begrenzen“. Die Ergebnisse sollen am Samstag von Merkel und Seehofer bewertet und am Sonntag in getrennten Sitzungen der Parteigremien abgestimmt werden.
Der für eine harte Haltung in der Flüchtlingspolitik bekannte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt reagierte positiv auf die Gipfel-Ergebnisse und schrieb den Anstoß dafür seiner Partei zu: Eine Reihe der Punkte seien „Maßnahmen, die wir als CSU seit Langem mit Nachdruck einfordern“. Die für Merkel und Seehofer entscheidende EU-Absprache, zum Schutz der Binnengrenzen bestimmte Asylbewerber zurückzuweisen, wertete Dobrindt als „ausdrückliche“Möglichkeit, nationale Maßnahmen zu ergreifen.
Allerdings sieht das Gipfel-Papier dafür eine enge Abstimmung der EU-Staaten vor. Auch Österreichs Kanzler Sebastian Kurz, auf dessen harte Gangart die CSU im Streit mit Merkel gesetzt hat, machte in Brüssel deutlich, dass er eine unilaterale Zurückweisung an der bayerischen Grenze für problematisch hält. Sie verlagere das Problem der Wanderung von Asylbewerbern lediglich in sein Land, monierte Kurz. Leitartikel, Politik