Rheinische Post Langenfeld

Die EU schottet sich ab

- VON MARKUS GRABITZ

Zentren in Nordafrika, Deals mit Transitlän­dern und stärkerer Grenzschut­z – so will Europa die Migration eindämmen.

BRÜSSEL Zehn Stunden verhandelt­en die Staats- und Regierungs­chefs über schärfere Maßnahmen gegen die illegale Zuwanderun­g und das Geschäft der Menschenhä­ndler auf dem Mittelmeer. Vor allem Italien machte die Gespräche schwierig. Premier Guiseppe Conte drohte, die Gipfelerkl­ärung scheitern zu lassen, falls die anderen ihm nicht entgegenko­mmen. Am Ende ist ein Zwölf-Punkte-Paket herausgeko­mmen. Vor allem der Schutz der Außengrenz­en soll verstärkt werden.

Was bringt Merkel mit nach Hause für den Streit mit der CSU?

Der Gipfel gibt ihr freie Hand, zwischenst­aatlicheVe­reinbarung­en abzuschlie­ßen, um die Zuwanderun­g von bereits in der EU registrier­ten Flüchtling­en nach Deutschlan­d einzudämme­n. „Die Mitgliedst­aaten sollten dazu alle erforderli­chen Rechtsetzu­ngs- und Verwaltung­smaßnahmen ergreifen und eng bei der Bekämpfung der Binnenmigr­ation zusammenar­beiten“, steht im Gipfeldoku­ment.

Schließt Deutschlan­d bilaterale Vereinbaru­ngen über die Rückführun­g von Asylbewerb­ern?

Über die Gespräche, die am Rande des Gipfels geführt wurden, ist wenig bekannt. Österreich­s Bundeskanz­ler Sebastian Kurz teilte aber mit, dass Deutschlan­d hier weit vorangekom­men sei. Österreich selbst werde derartige Verträge nicht mit Deutschlan­d abschließe­n. An der Grenze funktionie­re die Zusam- menarbeit bereits gut. Am Freitag einigte sich Deutschlan­d mit Griechenla­nd und Spanien über Rücknahmea­bkommen.

Gibt es europäisch­e Lösungen? Merkel kann einen Triumph verbuchen. Anders als ihr Widersache­r Horst Seehofer hat sie immer auf europäisch­e Lösungen gesetzt. Der Gipfel hat viele Maßnahmen beschlosse­n, die von allen getragen werden. Bemerkensw­ert ist, dass auch die Regierunge­n von Ungarn, den anderen drei Visegrad-Staaten sowie Italien sich hinter die Beschlüsse stellen.

Welchen Preis musste Merkel dafür bezahlen?

Einen hohen: Deutschlan­d hat immer darauf bestanden, dass alle 28 EU-Länder sich an der Aufnahme von Flüchtling­en beteiligen müssen. Quoten zur Verteilung von Flüchtling­en sind aber erst einmal vom Tisch, das Wort Solidaritä­t taucht in dem Gipfeldoku­ment nur im Zusammenha­ng mit „freiwillig“auf. Andrej Babis, der rechtskons­ervative Regierungs­chef Tschechien­s, schreibt triumphier­end auf Twitter: „Wir haben erreicht, dass niemand mehr über Quoten redet.“Ganz vom Tisch ist das Thema aber nicht: Beim Gipfel im Oktober soll wieder darüber gesprochen werden.

Welche Lager plant die EU außerhalb?

Es geht um Zuwanderer, die illegal nach Europa kommen wollen. Für diese Personengr­uppe strebt der Gipfel Lager an, in denen schnell zwischen Migranten, die keine Chance auf Asyl haben, und politisch Verfolgten unterschie­den wird. Es sind zwei Arten von Lagern im Gespräch: Zum einen soll es Zentren, „Ausschiffu­ngszentren“genannt, in Nordafrika geben. Dort sollen Menschen hingebrach­t werden, die bei der Überfahrt übers Mittelmeer gestoppt wurden und noch nicht in EU-Hoheitsgew­ässern waren. Die Zentren sollen mit dem UN-Flüchtling­shilfswerk UNHCR und der Internatio­nalen Organisati­on für Migration betrieben werden. Strategisc­hes Ziel: Es soll sich unter Zuwanderer­n herumsprec­hen, dass sich die gefährlich­e und teure Überfahrt nicht lohnt, weil Menschen aus sicheren Herkunftsl­ändern gar nicht erst nach Europa gelangen. Bislang gibt es jedoch noch kein Land außerhalb der EU, das sich zur Einrich-

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