Die EU schottet sich ab
Zentren in Nordafrika, Deals mit Transitländern und stärkerer Grenzschutz – so will Europa die Migration eindämmen.
BRÜSSEL Zehn Stunden verhandelten die Staats- und Regierungschefs über schärfere Maßnahmen gegen die illegale Zuwanderung und das Geschäft der Menschenhändler auf dem Mittelmeer. Vor allem Italien machte die Gespräche schwierig. Premier Guiseppe Conte drohte, die Gipfelerklärung scheitern zu lassen, falls die anderen ihm nicht entgegenkommen. Am Ende ist ein Zwölf-Punkte-Paket herausgekommen. Vor allem der Schutz der Außengrenzen soll verstärkt werden.
Was bringt Merkel mit nach Hause für den Streit mit der CSU?
Der Gipfel gibt ihr freie Hand, zwischenstaatlicheVereinbarungen abzuschließen, um die Zuwanderung von bereits in der EU registrierten Flüchtlingen nach Deutschland einzudämmen. „Die Mitgliedstaaten sollten dazu alle erforderlichen Rechtsetzungs- und Verwaltungsmaßnahmen ergreifen und eng bei der Bekämpfung der Binnenmigration zusammenarbeiten“, steht im Gipfeldokument.
Schließt Deutschland bilaterale Vereinbarungen über die Rückführung von Asylbewerbern?
Über die Gespräche, die am Rande des Gipfels geführt wurden, ist wenig bekannt. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz teilte aber mit, dass Deutschland hier weit vorangekommen sei. Österreich selbst werde derartige Verträge nicht mit Deutschland abschließen. An der Grenze funktioniere die Zusam- menarbeit bereits gut. Am Freitag einigte sich Deutschland mit Griechenland und Spanien über Rücknahmeabkommen.
Gibt es europäische Lösungen? Merkel kann einen Triumph verbuchen. Anders als ihr Widersacher Horst Seehofer hat sie immer auf europäische Lösungen gesetzt. Der Gipfel hat viele Maßnahmen beschlossen, die von allen getragen werden. Bemerkenswert ist, dass auch die Regierungen von Ungarn, den anderen drei Visegrad-Staaten sowie Italien sich hinter die Beschlüsse stellen.
Welchen Preis musste Merkel dafür bezahlen?
Einen hohen: Deutschland hat immer darauf bestanden, dass alle 28 EU-Länder sich an der Aufnahme von Flüchtlingen beteiligen müssen. Quoten zur Verteilung von Flüchtlingen sind aber erst einmal vom Tisch, das Wort Solidarität taucht in dem Gipfeldokument nur im Zusammenhang mit „freiwillig“auf. Andrej Babis, der rechtskonservative Regierungschef Tschechiens, schreibt triumphierend auf Twitter: „Wir haben erreicht, dass niemand mehr über Quoten redet.“Ganz vom Tisch ist das Thema aber nicht: Beim Gipfel im Oktober soll wieder darüber gesprochen werden.
Welche Lager plant die EU außerhalb?
Es geht um Zuwanderer, die illegal nach Europa kommen wollen. Für diese Personengruppe strebt der Gipfel Lager an, in denen schnell zwischen Migranten, die keine Chance auf Asyl haben, und politisch Verfolgten unterschieden wird. Es sind zwei Arten von Lagern im Gespräch: Zum einen soll es Zentren, „Ausschiffungszentren“genannt, in Nordafrika geben. Dort sollen Menschen hingebracht werden, die bei der Überfahrt übers Mittelmeer gestoppt wurden und noch nicht in EU-Hoheitsgewässern waren. Die Zentren sollen mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration betrieben werden. Strategisches Ziel: Es soll sich unter Zuwanderern herumsprechen, dass sich die gefährliche und teure Überfahrt nicht lohnt, weil Menschen aus sicheren Herkunftsländern gar nicht erst nach Europa gelangen. Bislang gibt es jedoch noch kein Land außerhalb der EU, das sich zur Einrich-