Verfassungsrechtler Papier stützt Seehofer
Der ehemalige Verfassungsgerichtspräsident hält Zurückweisungen an der Grenze für rechtlich zulässig. Das besagt ein Gutachten für die FDP.
BERLIN Die von Innenminister Horst Seehofer (CSU) angedrohten Zurückweisungen von Flüchtlingen an deutschen Grenzen wären nach Ansicht des früheren Verfassungsgerichtspräsidenten Hans-Jürgen Papier nicht nur rechtlich möglich, sondern auch zwingend geboten, um die Grundzüge des EU-Rechts nicht auszuhebeln. In einem unserer Redaktion vorliegenden 14-seitigen Gutachten für die FDP-Bundestagsfraktion verweist Papier auf den Grundsatz der Dublin-Verordnung, wonach für internationalen Schutz der Mitgliedstaat zuständig sein soll, in dem der Ausländer zuerst registriert wurde. „Dies ist bei einer Einreise in die Europäische Union auf dem Landweg niemals die Bundesrepublik Deutschland“, schreibt Papier.
Seehofer will am Wochenende entscheiden, ob bereits in anderen EU-Staaten registrierte Flüchtlinge ab sofort an der Grenze zurückgewiesen werden. Die FDP unterstützt Seehofer in dieser Frage. Die Verhandlungserfolge von Bundes- kanzlerin Angela Merkel ( CDU) beim EU-Gipfel in Brüssel sprechen allerdings dafür, dass Seehofer von einem Alleingang absieht.
Kritisch setzt sich Papier in dem Gutachten mit der Rechtsauffassung auseinander, jeder Mitgliedstaat sei verpflichtet, grundsätzlich jeden Antrag auf Schutz zunächst zu prüfen und deshalb Einreise und Aufenthalt zu gestatten. Papier hält diese Interpretation für oberflächlich. Dies widerspreche einerseits dem Grundsatz, dass jeder Antrag von einem Mitgliedstaat geprüft werde und verstoße zudem gegen das Ziel des EU-Asylrechts, eine illegale Weiterreise zu verhindern.
Im Kern argumentiert Papier mit dem „tragenden Regelungsprinzip des EU-Asylrechts“, wonach ein Asylbewerber sich das Zielland für seinen Schutz in der EU nicht selbst und frei aussuchen und einen Aufenthalt in seinem Wunschland erwirken könne. Papier weist den Hinweis zurück, dass im Rahmen der Prüfung der Bewerber ja immer noch an das eigentlich zuständige Land überstellt werden könne. DieseVersuche scheiterten vielfach, insbesondere, wenn sich die Staaten weigerten, die Menschen zurückzunehmen.
Für die FDP ist damit klar, dass „Zurückweisungen an deutschen Grenzen zulässig sind“, wie Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann sagte. Die FDP wolle eine europäische Lösung. Allerdings seien die Ergebnisse des EU-Gipfels„vage und vielseitig interpretierbar“. Bis zur Umsetzung vergehe viel Zeit, deshalb brauche es schnelle Lösungen.
Positiver bewertet der Konstanzer Asylrechtler Daniel Thym die Beschlüsse. „Wirklich neu sind vie- le Gedanken für Experten nicht, wohl aber das Ausmaß der politischen Unterstützung und des dahinterstehenden Willens. Das zeigt, dass man es ernst meint und nun die Projekte endlich realisieren will, die schon länger diskutiert werden“, sagte er. Bei den „kontrollierten Zentren“für Flüchtlinge gehe es darum, „die schon heute bestehenden sogenannten Hotspots etwa in Sizilien auszubauen“. Damit verwirkliche man„an den Außengrenzen das, was die deutsche Regierung intern mit den sogenannten Anker-Zentren erreichen will“.