Deutschlands vergessener Tatort
Es ist eine der am wenigsten bekannten Vernichtungsstätten der Nazis: Maly Trostenez in Weißrussland. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat an diesem Ort nun ein Zeichen gegen das Vergessen gesetzt. Dabei hatte er aktuelle Äußerungen deutscher Politiker im Blick.
MINSK Es ist ein trostloser Ort. Ein gepflasterter Weg führt durch vier Mauerpaare, deren einzelne Mauerabschnitte sich gegenüberstehen. Der Abstand entspricht der Breite eines Zug-Waggons –Waggons, in denen Menschen damals wie Schlachtvieh transportiert wurden. Hin zum Platz des Todes. Nur fünf Kilometer südlich von Minsk liegt Maly Trostenez. DiesesVernichtungslager der Nazis ist in Deutschland kaum bekannt. Es war aber eines der größten auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion. Zwischen 1942 und 1944 fanden hier nach Forschungen russischer Historiker mehr als 200.000 Menschen den Tod – Kriegsgefangene und Partisanen, Juden aus Westeuropa sowie einfache einheimische Bürger, alte Menschen, Frauen und Kinder. Internationale Forscher sprechen von 60.000 Ermordeten. Verbrieft ist in jedem Fall, dass jeder vierte Einwohner Weißrusslands die Zeit der deutschen Besatzer nicht überlebt hat.
„Der Schritt wird schwer und schwerer, je näher man diesem Ort kommt“, sagt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, nachdem er den als Gedenkstätte nachgebauten Weg des Todes gemeinsam mit dem weißrussischen Staatspräsidenten Alexander Lukaschenko und dem österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen abgeschritten ist. Gleich drei Vernichtungsstätten hatten die Nazis auf diesem Gelände errichtet, in denen Soldaten im Akkord Menschen erschossen und verbrannten. Das Wissen um das, was an diesem Ort geschehen sei, werde zur „tonnenschweren Last“, sagt Steinmeier, der in seiner Rede die NS-Verbrechen sehr nah schildert. „Was damals über dieses Land und seine Nachbarn kam, war Menschenwerk.“Er schildert die effiziente Todesmaschinerie der Nazis, nennt Namen, Adressen, Details. Er sagt auch: „Dieser bürokratisierte Krieg, gestützt auf einen Apparat und seine Arbeitsteilung, atomisierte die Verantwortung eines jeden Einzelnen.“
Steinmeier ist nicht nur gekommen, diesen weitgehend vergessenen Ort des Grauens ins Bewusstsein zurückzuholen. Seine Reise ist auch ein innenpolitisches Signal an die AfD, von der mit Blick auf die NS-Verbrechen eine „Erinnerungswende“gefordert worden war. Björn Höcke, der studierte Geschichtslehrer und Rechtsaußen der AfD, hatte diesen Begriff genutzt. Der AfD-Fraktionschef im Bundestag, Alexander Gauland, sprach mit Blick auf die zwölf Jahre Schreckensherrschaft der Nazis, den Angriffskrieg der Deutschen und die Vernichtung von Millionen Juden von einem „Vogelschiss“in der deutschen Geschichte. „Heute besteht die Verantwortung darin, das Wissen um das, was hier geschah, lebendig zu halten“, setzt Steinmeier dieser Art der Geschichtsvergessenheit inWeißrussland entgegen. Und dann gibt er noch ein Versprechen ab: „Ich versichere Ihnen, wir werden diese Verantwortung auch gegen jene verteidigen, die sagen, sie werde abgegolten durch verstriche-