Mexiko wählt Trumps Gegenspieler
Der Links-Kandidat Andrés Manuel López Obrador will sein Land reformieren und den USA die Stirn bieten.
MEXIKO-STADT Es gibt in diesen Tagen vielleicht keine bessere Bühne in Mexiko, als das riesige Aztekenstadion in Mexiko-Stadt. Rund 80.000 Menschen strömten kürzlich in die historische Arena, um Präsidentschaftskandidat Andrés Manuel López Obrador (64) von der relativ jungen Bewegung Morena live zu erleben. Das Interesse war so groß, dass einige Ganoven sogar versuchten, Eintrittskarten für das Gratis-Event zu verkaufen.
Die Fußball-WM und die Präsidentschaftswahl in Mexiko gehören in diesen Tagen untrennbar zusammen.Wenn am Montagmorgen (Ortszeit) das Achtelfinale zwischen Brasilien und Mexiko angepfiffen wird, dann dürfte das Endergebnis der Wahl gerade erst vorliegen. Alle Umfragen sprechen für einen Sieg López Obradors, den seine Gegner einen Populisten, seine Anhänger einen Hoffnungsträger nennen.
Im Aztekenstadion spulte„Amlo“wie ihn seine Fans nennen, sein Wahlprogramm herunter. Er nennt Dänemark, Norwegen oder Neuseeland als die großen Vorbilder: „In diesen Ländern gibt es so gut wie keine Korruption und deshalb auch keine Armut“, ruft er seinen Landsleuten zu. López Obrador liest nahe- zu seine gesamte Rede vom Blatt ab, er ist kein Stimmungsmacher. Dafür weckt er große Hoffnungen und legt damit auch die eigene Fallhöhe fest: In der Anti-Drogen-Politik will er eine Kehrtwende, brachte schon einmal eine Amnestie für kooperationswillige Drogenbosse ins Spiel. Er will mit Blick auf das angespannte Verhältnis zu der US-Regierung bei Präsident Donald Trump Respekt einfordern. Vor ein paar Wochen kündigte er an: Jeder Tweet von Trump bekomme eine entsprechende Antwort.
Nach 2006 und 2012 ist es sein dritter Anlauf zum höchsten Amt im Staat. Die Popularität López Obradors stammt aus der Zeit als Regierungschef des Bezirks Mexiko-Stadt. Der rebellische Ruf stammt aus jüngeren Jahren, als er Proteste gegen das staatliche Erdölunternehmen Pemex anführte. López Obrador beherrscht auch das Spiel mit den Medien. Als vor gut einerWoche Mexiko überraschend Deutschland bei der WM in Russland mit 1:0 bezwang, versuchte er den Sensationssieg gleich für sich zu verbuchen. Der Erfolg sei von mexikanischer Hand gemacht, ließ er damals wissen und schob indirekt hinterher: Mit ihm als Präsident werde ganz Mexiko gewinnen.
Die Probleme, die er von seinem Amtsvorgänger Enrique Peña Nieto erbt, der wegen der in der Verfassung festgeschrieben Amtszeitbegrenzung nicht wieder antreten darf, sind riesig. Mit den USA droht nicht nur ein Streit wegen des von Trump geplanten Mauerbaus an der mexikanischen Nordgrenze. Auch im Süden Mexikos spitzt sich die Debatte um die Migrationspolitik zu. Viele Mexikaner befürworten wegen des anhaltenden Zustroms von Flüchtlingen aus El Salvador, Guatemala und Honduras selbst eine Politik der harten Hand. Dazu droht ein Handelskrieg mit den USA.
Ein weiteres gravierendes Problem: Der blutige Drogenkrieg, der Mexiko die höchste Mordrate seit 20 Jahren beschert und das Vertrauen in die Sicherheitskräfte, die zum Teil gemeinsame Sache mit den Kartellen machen, zerstört hat. Vielleicht gelingt Mexikos Nationalmannschaft am Montag gegen Brasilien tatsächlich eine Sensation. Für den voraussichtlichen Wahlsieger López Obrador wäre es ein guter Start. Die Probleme kommen dann schon noch von ganz allein.