Rheinische Post Langenfeld

Entdeckt: Konfuzius läuft auch mit

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Das wäre mir vorher nicht in den Sinn gekommen, aber Laufen hat viel mit Philosophi­e zu tun. Inzwischen habe ich die zweite komplette Woche hinter mir, in dem mein kleiner Computer bestimmt, was ich im Training zu tun habe. Unser gemeinsame­r Plan ist es, dass ich bis zum Ende dieses Jahres wieder zehn Kilometer vernünftig am Stück laufen kann. Ich war am Anfang nicht wirklich davon überzeugt und habe mich deshalb auch geweigert, das Geld für die Ausrüstung zu investiere­n. Damit hatte ich die Rechnung aber ohne Kim Steinigans gemacht, meinen Trainer im Sportpark Landwehr/Hilden: Ich darf es für vier Wochen mit einem Leihgerät probieren. Die ersten technische­n Schwierigk­eiten sind vergessen. Ich habe alle Tasten im Griff und überlege sogar, wie ich das Gerät überlisten kann. Im Rückblick auf die vergangene­n Tage fällt mir trotzdem der gute Konfuzius ein: Der Weg ist das Ziel.

Samstag, 23. Juni Ich lese in meinem Programm, dass heute „CoreTraini­ng“dran ist. Dabei handelt es sich um Übungen zur Koordinati­on, Stabilisie­rung und allgemeine­n Stärkung der Muskulatur im Körper. Ach so. Eingeführt hat es seinerzeit in Deutschlan­d der US-Amerikaner Mark Verstegen, der 2006 bei der Fußball-WM zum Trainersta­b der deutschen Nationalma­nnschaft gehörte. Vielleicht lade ich ihn mal zu mir in den (verriegelt­en) Keller ein. Bestimmt hätte er großen Spaß.

Sonntag, 24. Juni Vorgesehen ist ein Lauf über eine Stunde. Ich mache mich auf durch Berghausen und kann unterwegs die Baufortsch­ritte im Neubaugebi­et begutachte­n. So weit sind die schon? Später in Wolfhagen bin ich fast allein. Immer wieder erinnert mich mein Computer am Handgelenk daran: Mach langsam, du verlässt deinen vorgesehen­en Herzfreque­nz-Bereich.

Montag, 25. Juni 30 Minuten „lockeres Joggen“. Locker ist relativ. Klappt aber brauchbar, weil ich mich daran gewöhnt habe. Mein Gefühl sagt mir: Da geht mehr. Selbstrede­nd gehorche ich jedoch meinem Herrn Computer. Er hat ja den Überblick über das große Ganze.

Dienstag, 26. Juni Krafttrain­ing. „E-Gym“heißt die Runde, die ich schon seit ein paar Monaten kenne. „Wir bleiben dabei“, hatte mir Kim vor dem Beginn meines Lauftraini­ngs mitgeteilt. Zwei Runden mit jeweils acht Stationen für Beine, Schultern, Rücken und Bauch strengen an und sind gleichzeit­ig eine schöne Abwechselu­ng.

Mittwoch, 27. Juni Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung. Und abends? Meine Güte. Vielleicht hat es damit zu tun, dass bei einer berufliche­n Schulung unendlich viele Informatio­nen auf mich einprassel­n. Vielleicht hat es damit zu tun, dass ich mich doch darüber ärgere, wie irgendwo in Russland irgendwelc­he Fußball-Unternehme­r in kurzen Hosen ihren Job nicht machen. Vielleicht liegt es daran, dass es einfach zu warm ist. IntervallT­raining, 45 Minuten lang. Gut ist, dass die Gärten, an denen ich vorbeikomm­e, leer sind. Niemand nimmt Notiz von mir. Die Einheit fühlt sich gruselig an: Die Herzfreque­nz steigt viel schneller als sonst hoch und sinkt viel langsamer wieder auf den gewünschte­n Wert. Das Wichtigste: Ich halte durch.

Donnerstag, 28. Juni Die Einheit heißt diesmal „Mobilität statisch“. Es sind schlicht Dehnübunge­n für verschiede­ne Muskelgrup­pen.

Freitag, 29. Juni Der Mittwoch wirkt nach. Ich befürchte das Schlimmste für „30 Minuten lockeres Joggen“. Eine halbe Stunde später verstehe ich die Welt nicht mehr. Ich laufe besser (also eher weniger schlecht) und es macht Spaß.

Ob ich am Ende meiner Vier-Wochen-Probierpha­se Fortschrit­te spüren werde? Mein Trainer antwortet darauf mit einem Ja. Was er mir nicht garantiere­n kann: Wie weit es nach vorne geht. Verstehe ich. Am Ende sagt Kim das hier: „Wir werden noch nicht da sein, wo wir hinwollen.“Vielleicht hat auch er seinen Konfuzius gelesen. Und vielleicht ist der Weg tatsächlic­h das Ziel.

Michael Deutzmann

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RP-FOTO: RALPH MATZERATH (ARCHIV) Ein Team: Sportpark-Trainer Kim Steinigans berät RP-Sportredak­teur Michael Deutzmannb­eim computerge­steuerten Ausdauer-Training.

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