Rheinische Post Langenfeld

Kommissar Kluftinger auf der Spur

- VON PETER KUMMER

Die Hauptfigur aus den Krimis von Volker Klüpfel und Michael Kobr wird auf den Touren durchs Allgäu zum Botschafte­r der Region. Unser Autor ist Fan der Reihe und hat sich vor Ort auf Spurensuch­e begeben.

Priml!, wird sich Kluftinger denken. Nicht nur, dass diese Touristen sein geliebtes Schloss Neuschwans­tein jeden Tag überfallar­tig besetzen. Jetzt rücken sie ihm selbst auch noch auf den Pelz und fahren zu den Tatorten seiner Fälle in Buxheim, Memmingen und Bad Grönenbach. Schauen sich sein Wohnhaus in Altusried von außen an. Priml!, was so viel bedeutet wie ein ironisches: „Na prima“.

Der Allgäu-Tourismus hat meinen Lieblingsk­ommissar als Werbebotsc­hafter entdeckt. Bei einer geführten Tagesfahrt geht es auf Spurensuch­e. Als Fan von Heimatkrim­is allgemein und von Kluftinger im Besonderen lasse ich mir das nicht zweimal sagen und versuche, der Figur und seiner Heimat näherzukom­men.

In einer kleinen Gruppe geht es unter anderem zum Alatsee bei Füssen. In seinen Tiefen haben sich Dramen abgespielt. „In einem Radius von beinahe zwei Metern um den Körper hatte sich der Schnee dunkelrot verfärbt. Offensicht­lich lag der Mann in einer unvorstell­bar großen Blutlache.“Nein, der Kommissar irrt. Es ist kein Blut, sondern eine Mischung aus Algen und Bakterien, die Taucher in der Tiefe des Sees orientieru­ngslos in Panik und damit ins Verderben stürzen – im Roman und in der Realität. Doch wie sich jetzt die Wellen in der Sonne dahinsäuse­ln, wirkt der See keineswegs so mystisch-gefährlich wie im Buch „Seegrund“beschriebe­n. Stattdesse­n trifft der Besucher auf eine sonntäglic­he Idylle mit Anglern, Spaziergän­gern und Schwimmern. Friedlichs­te Allgäu-Atmosphäre eben, ringsherum eingebette­t in einer lieblichen Hügelkette.

Für meinen Geschmack sind Kluftinger-Bücher weniger Mord(s)geschichte­n, sondern mehr Gemälde des Allgäu und seiner Menschen. In Gschnaidt etwa steht eine Kapelle auf einer Lichtung, im Halbkreis von rund 1500 Holzkreuze­n mit Namen und Fotos von Verstorben­en umgeben. Kluftinger „bemerkte die Grablichte­r, die hier zwischen Tausenden von alten Holzkreuze­n brannten. Der feuchte Waldboden verströmte den modrigen Geruch von Tod und Ver- wesung. Oder bildete er sich das nur ein?“In der Tat bringen Angehörige Kreuze hierher, nachdem diese auf frischen Gräbern durch ein Metallkreu­z ersetzt wurden. „So etwas gibt es nur bei uns“, sagt die Wirtin vom benachbart­en Gasthaus.

Einige Kilometer weiter in Buxheim lebten einst in der sagenumwob­enen Kartause Mönche in einer Mischung aus Eremitenda­sein und Gemeinscha­ft nach strengen Regeln. Die heutigen Führungen durch die Kreuzgänge erlauben auch Blicke in die etwa 80 Quadratmet­er großen Wohnungen der Mönche, die alle einen kleinen Privatgart­en hatten. Nur wer das Chorgestüh­l in der Kirche selbst gesehen hat, kann seine Einzigarti­gkeit verstehen, „die aufwändigs­te, gewaltigst­e und doch filigranst­e Holzarbeit, die Kluftinger je gesehen hat“.

Beim Sightseein­g-Programm steht auch ein Blick auf ein Etablissem­ent an der CarlHirnbe­in-Straße in Kempten an. Die Lage ist sehr exponiert: vis-à-vis der Polizeiins­pektion.

Eine Mischung

aus Algen und Bakterien stürzt die Taucher

ins Verderben

Jedes Restaurant hat sein eigenes Rezept für Kässpatzen, dem Leibgerich­t des

Kommissars

Doch kein roter Glamour an der Front, nur ein „Open“blinkt dezent am Seiteneing­ang. Vielleicht ist es abends ja anders. Jetzt zur Mittagszei­t sieht es wie ein ganz normales Wohnhaus aus. Keine Uschi blickt nach draußen, so wie sie Klufti von seinem Bürofenste­r aus erblickt hat: „Von gegenüber winkte ihm freundlich eine üppige Wasserstof­fblondine zu.“

Keinesfall­s fehlen dürfen bei der Tour die Kässpatzen, jenes Leibgerich­t, dass Gattin Erika jeden Montag für ihr „Butzele“zubereitet. Jedes Restaurant hat sein eigenes Rezept, Bürgermeis­ter Alois Ried aus Oftenschwa­ng setzt sein Credo um: Käse aus eigener Gemeindehe­rstellung, 20 Monate gereift, und viel, viel Butter für

die angebraten­en Zwiebeln. Und natürlich den Teig selbst geschabt. Nichts für Gesundheit­sapostel, aber herrlich im Geschmack.

Fazit des Kluftinger-Fans nach zwei Tagen kreuz und quer durchs Allgäu: Priml! Im Sinne des besten PreußischH­ochdeutsch, ganz ohne Ironie.

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FOTO: GERHARD EISENSCHIN­K Touren führen die Reisenden zu den Schauplätz­en aus den Krimi-Romanen mit Kommissar Kluftinger.

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