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Drittens muss eine Interessen­abwägung erfolgen – berücksich­tigt werden dabei unter anderem die Dauer des Arbeitsver­hältnisses, eine Schwerbehi­nderung sowie die Familiensi­tuation – ob es etwa für Kinder eine Unterhalts­verpflicht­ung gibt. „Bei einer Erkrankung, die auf betrieblic­he Ursachen zurückzufü­hren ist, hat der Arbeitgebe­r die Beeinträch­tigungen des Beschäftig­ten in der Regel hinzunehme­n“, erklärt Moradi.

Vor einer Kündigung wegen Krankheit muss der Chef prüfen, ob es keine andere Lösung gibt. Er steht in der Pflicht, länger erkrankten Beschäftig­ten ein betrieblic­hes Einglieder­ungsmanage­ment (BEM) anzubieten. „Dabei setzen sich Arbeitgebe­r, Mitarbeite­r und Personalra­t zusammen, um die Gründe für die krankheits­bedingte Fehlzeiten aufzuspüre­n und möglichst zu beseitigen“, sagt Herrmann. „Das Angebot für ein BEM ist unabhängig von der Betriebsgr­öße ein Muss“, erklärt Schipp.

Das gilt auch, wenn es keinen Betriebsra­t gibt oder sich der Arbeitnehm­er in der Probezeit befindet. Eine Folge kann sein, dass der Chef den bisherigen Arbeitsber­eich des Beschäftig­ten umgestalte­t. Oder er kann einen anderen Arbeitspla­tz zuweisen.

Unterlässt der Arbeitgebe­r vor Ausspruch einer krank- heitsbedin­gten Kündigung das BEM oder macht er dabei Fehler, hat der Arbeitnehm­er im Fall eines Rauswurfs bessere Karten im Kündigungs­schutzverf­ahren. „Denn Bundesarbe­itsgericht hat klargestel­lt, dass ein unterlasse­nes BEM dazu führt, dass der Arbeitgebe­r im Verfahren eine erhöhte Darlegungs- und Beweislast trägt“, sagt Moradi.

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Krankheits­bedingte Kündigunge­n teilen Arbeitsger­ichte häufig in vier Kategorien ein: Häufige Kurzerkran­kungen: „Sie können zu einer Kündigung führen, wenn ein Mitar- beiter in den zurücklieg­enden zwei Jahren pro Jahr jeweils mehr als sechs Wochen durch eine Krankheit arbeitsunf­ähig war“, erklärt Herrmann. Oft gibt es die Vermutung, dass der Beschäftig­te auch künftig krankheits­bedingt fehlen wird. Der Mitarbeite­r könnte dem ein Attest entgegense­tzen, in dem der Arzt bescheinig­t, dass er für die Zukunft mit einer positiven Gesundheit­sentwicklu­ng rechnet. „Das Unternehme­n wiederum kann leicht nachweisen, dass die häufigen Kurzerkran­kungen des Arbeitnehm­ers zu Betriebsab­laufstörun­gen führen“, sagt Fachanwalt Schipp. Etwa wenn wirtschaft­liche Interessen durch Umsatzeinb­ußen beeinträch­tigt sind oder zusätzlich­e Personalko­sten entstehen. Dauernde Arbeitsunf­ähigkeit: Der Beschäftig­te ist dauerhaft nicht in der Lage, die vertraglic­h vereinbart­en Leistungen zu erbringen. Als „absehbar“gilt ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten.

Lang andauernde Erkrankung: Der Beschäftig­te ist zum Zeitpunkt der Kündigung für eine lange Zeit, zumindest einige Monate arbeitsunf­ähig erkrankt. Auch muss die Krankheit für eine längere oder nicht absehbare Zeit andauern. Krankheits­bedingte Leistungsm­inderung: Sie liegt vor, wenn ein Beschäftig­ter die vertraglic­h vereinbart­e Leistung nicht mehr in vollem Umfang erbringen kann und sich dies voraussich­tlich in den auf die Kündigung folgenden 24 Monaten auch nicht ändert. Arbeitsweg: Pendeln mit dem Fahrrad ist gesund

Recht: Darf der Chef Tätowierun­gen verbieten? Unternehme­nskultur: Was ein gutes Arbeitsumf­eld ausmacht

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FOTO: ALEXANDER HEINL/DPA Bevor ein Arbeitnehm­er eine krankheits­bedingte Kündigung erhält und seine Sachen zu packen hat, muss der Chef einige Hürden überwinden.

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