KULTURTIPPS
Sommerfestival „Asphalt“in Düsseldorf Jean Sibelius: 2. Symphonie D-Dur John Fante sollte jeder kennen
Festival An der syrischen Grenze wird ein Mann zusammengeschlagen und fällt ins Koma. Im Krankenhaus versammeln sich Freunde, Bekannte, Familie an seinem Bett, sprechen über den bewusstlosen Mann, aber bald auch über ihr Land im Bürgerkrieg, das nun auch schon so lange im Koma liegt. Die meisten Künstler, die in der multimediale Inszenierung „While I was waiting“der syrischen Theaterschaffenden Mohammad Al Attar (Text) und Omar Abusaada (Regie) mitarbeiten, leben inzwischen in diversen Ländern Europas im Exil. Für ihren Auftritt beim Asphalt-Festival kommen sie nun noch einmal in Düsseldorf zusammen. Die Arbeit ist Teil eines höchst vielfältigen Programms des feinen Sommerfestivals, das vom 12. bis 22. Juli Tanz, Theater und Kunst in die Landeshauptstadt bringt. www.asphalt-festival.de
dok Klassik Er gilt immer noch als der Tyrannosaurus Rex der finnischen Musik, alle Komponisten seiner Heimat haben seinen langen Schatten gespürt, geliebt, gefürchtet und gehasst, doch ihm zu entkommen ist unmöglich:
Jean Sibelius (1865 bis 1957) überstrahlt das Musikleben eines ganzen Landes, und wo immer ein finnisches Orchester in der Ferne gastiert, muss es eine seiner sieben Symphonien auf dem Pult haben.
Diese Musik gilt längst als Hochkunst zwischen Romantik und Moderne, sie hat ihren ganz eigenen Stil. Expansiv ist sie, wild und zerklüftet, dann wieder unendlich meditativ, von geradezu insularer Einsamkeit. Es gibt Hochflächen der Leidenschaft, von denen kein Abstieg mehr möglich scheint, und das Drängen der Musik wird dramatisch befeuert von erregten, geradezu minimalistischen Wiederholungen.
Der Finalsatz aus der 2. Symphonie D-Dur ist ein Musterbeispiel dafür: Da erstreckt sich ein weites hymnisches Feld, das immer größer und feierlicher wird, eine Ode an die Pracht, die schier nicht zum Ende kommen will. Der dritte Satz Buch Was nicht länger so bleiben darf, ist dieses: dass hierzulande nur wenige Leser John Fante kennen. Sie tun sich damit keinen Gefallen, denn sie bringen sich um wunderbare Lektüre-Erlebnisse. Der 1983 in L.A. gestorbene John Fante war nämlich nicht nur ein verflixt cooler Schreiber, sondern auch ein hochkomischer. Charles Bukowski hat ihn als seinen „Gott“bezeichnet, und lesen sollte man alle Romane, in denen sein Held Arturo Bandini vorkommt. Der in den USA spät zu Ehren gekommene Fante hatte zu Lebzeiten nur einen Bestseller, und den bringt der Maro-Verlag nun auf Deutsch heraus: „Voll im Leben“. Das ist die Komödie eines jungen Italo-Amerikaners namens John Fante. Er und seine Frau erwarten ein Kind, da bricht der Boden des von Termiten zerfressenen Hauses durch. Fante lädt seinen Vater ein, weil der handwerklich begabt ist, und der Vater bleibt, aber er repariert nicht, sondern redet immerzu – so ein Glück. Tolles Buch. hols ist dagegen ein wirbelndes Scherzo, das alle Streichergruppen erfasst, wogegen die Bläser mysteriöse Melodienlinien über das Gebrodel legt. Gelegentlich spürt man, dass der Komponist ein eigenes Komponierhaus am See hatte, dessen Umgebung ihn inspirierte (ähnlich wie Gustav Mahlers Komponierhäuschen in Toblach).
Jetzt kommt eine vorzügliche Neuaufnahme (bei Oehms), und zwar ausgerechnet aus Köln. Das dortige Gürzenich-Orchester trifft unter seinem langjährigen Gastdirigenten Dmitrij Kitajenko sehr gut den enthusiastischen Geist der Musik. Das Orchester zeigt sich in allerbester Fassung. Kitajenko gliedert die Strukturen bestens, und das Orchester lässt sich nicht lumpen: Die Solo-Leistungen namentlich bei den Bläsern sind makellos. Sibelius aus Köln: Wir applaudieren in herzlicher Nachbarschaft.
Wolfram Goertz