Polen will Richter in Zwangspension schicken
WARSCHAU (mat) Die Frist läuft ab in Polen, und das in mehrfacher Hinsicht: Ab dem 4. Juli wird ein weiteres umstrittenes Gesetz im Land greifen, das der Regierung einen größeren Einfluss auf die Gerichtsbarkeit des Landes vermittelt.
Aufgrund der erwarteten Entlassungen hat die EU-Kommission am Montag ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Der polnische Europaminister Konrad Szymanski verteidigte als Reaktion die Rechtmäßigkeit der polnischen Novelle. Sie werde „erfolgreich die Gerichte und die Gerichtsbarkeit schützen“. Polen hat einen Monat Zeit, um zu reagieren.
Nach der polnischen Gesetzesnovelle müssen nach Dienstagnacht alle Richter des Obersten Gerichts, die 65 Jahre alt oder älter sind, ihr Amt aufgeben. Dies wären 27 der rund 72 Richter, darunter die Vorsitzende Małgorzata Gersdorf, eine Kritikerin der nationalkonservativen Regierung. Sie hält es sich noch offen, ob sie gewillt ist, ihren Posten zu räumen: „Ich möchte nicht gegen meinen eigenen Staat auftre- ten“, sagte die höchste Richterin in einem Interview.
Das Oberste Gericht in Warschau gilt als die letzte Kontrollinstanz des polnischen Justizwesens, nachdem das Verfassungsgericht und der Landesgerichtsrat bereits von Richtern dominiert sind, die der Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“(PiS) nahestehen. Im Vorfeld hat es massive Bemühngen vonseiten der EU-Kommission gegeben, Polen noch umzustimmen. Nun kann der EU-Rat in einer Abstimmung feststellen, dass in Polen eine „schwerwiegende Verletzung des Rechtsstaates“vorliegt. Dieser Einschätzung müssten 22 der 28 EU-Mitgliedstaaten folgen. Am Ende stünde der Stimmentzug innerhalb der EU, doch hier würde wohl das ebenso autoritär regierte Ungarn unter Viktor Orbán mit einem Veto einschreiten.
Obgleich die PiS die beliebteste Partei an der Weichsel ist, sind nach Umfragen 44 Prozent der Polen dafür, dass die Justiz-Änderungen vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt werden sollen.