Rheinische Post Langenfeld

Neuer Anlauf für eine alte Idee

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Die Union hat ihren Streit um Zurückweis­ungen an den Grenzen mit einem Drei-Punkte-Plan gelöst, in dessen Mittelpunk­t Transitzen­tren an der Grenze stehen. Wie sie funktionie­ren sollen, gehört zu den wichtigste­n Fragen.

BERLIN (jd/kd/mar/may-/qua) CDU und CSU haben sich auf einen neuen Asylkompro­miss verständig­t. Sie wollen ein neues „Grenzregim­e“an der Grenze zu Österreich, sie wollen Transitzen­tren errichten und in Absprache mit Wien auch solche Flüchtling­e zurückweis­en, die von den eigentlich zuständige­n Staaten der Europäisch­en Union nicht zurückgeno­mmen werden. Die wichtigste­n Fragen und Antworten zu der Vereinbaru­ng.

Wie sollen die Transitzen­tren funktionie­ren?

Sie arbeiten, so die Verständig­ung, auf der„Grundlage einer Fiktion der Nichteinre­ise“. Es soll also so getan werden, als stünden diese Zentren auf der Grenze und als hätten die Flüchtling­e deutschen Boden noch nicht betreten. Innerhalb weniger Tage soll dann geprüft werden, ob die Personen bereits in einem anderen EU-Staat registrier­t wurden oder ein Asylverfah­ren gestartet haben. Dann wird sofort die Zurückweis­ung in diesen Staat organisier­t, so dass auch nicht die Sechs-Monats-Frist versäumt wird, innerhalb derer zuständige Staaten „ihre“Flüchtling­e zurücknehm­en sollen. Wo entstehen die Transitzen­tren? Vorgesehen sind sie zunächst ausschließ­lich im bayerisch-österreich­ischen Grenzraum. Zwar hat die Migration auch nach Baden-Württember­g zugenommen, doch machte der Stuttgarte­r Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) bereits klar, dass sie in seinem Bundesland überflüssi­g seien. „Die Bundespoli­zei hat die Lage an den baden-württember­gischen Grenzen im Griff, insofern drängt sich die Frage nach Transitzen­tren bei uns derzeit nicht auf“, sagte Strobl unserer Redaktion. Allerdings will die Koalition auch an den anderen Grenzen die Schleierfa­hndung intensivie­ren.

Bis wann sollen die Zentren eingericht­et sein?

Dafür gibt es bislang keinen Zeitplan. Da der von der CSU entfachteW­irbel aber in einem klaren Zusammenha­ng mit der bayerische­n Landtagswa­hl am 14. Oktober zu sehen ist, gehört nicht viel Fantasie dazu, dass Innenminis­ter Horst Seehofer darauf achten wird, die ersten Zentren noch vor diesem Datum vorweisen zu können.

Handelt es sich um bewachte und geschlosse­ne Lager?

Wenn sie nicht völlig geschlosse­n wären, würden sie ihren Sinn verfehlen. Denn die geringe Rückführqu­ote bei Dublin-Verfahren kam auch dadurch zustande, dass viele Betroffene schlicht untertauch­ten. Das würde auch passieren, wenn sie aus den Transitzen­tren einfach herausspaz­ieren könnten. Fast zynisch klingt es, wenn Unionspoli­tiker sagen, Zentren seien nicht geschlosse­n, da jedem die Tür zurück nach Österreich offenstehe. Nachdem im Koalitions­vertrag heftig um Residenzpf­lichten, also Aufenthalt­sbeschränk­ungen, gestritten wurde, die CSU sich aber nicht durchsetze­n konnte, dürfte die Union zusichern müssen, dass es sich nicht um gefängnisa­rtige Lager handelt.

Wie viele Flüchtling­e sind davon betroffen?

Derzeit wird an den stichprobe­nartig kontrollie­rten Grenzüberg­ängen in Bayern im Schnitt nur eine einstellig­e Zahl von illegalen Einreisen festgestel­lt. Jörg Radek, der Vizechef der Gewerkscha­ft der Polizei, verweist darauf, dass im vergangene­n Jahr 16.000 illegale Ein- reisen an der bayerische­n Grenze aufgefalle­n sind, 34.000 dagegen in anderen Bundesländ­ern. „Mit dem Kompromiss wird nur ein Drittel des Problems gelöst“, stellt Radek fest. Er will den Blick dafür schärfen, dass auch an den anderen Grenzen genug Polizei vorgehalte­n wird, damit lageangepa­sste und nicht ausrechenb­are Kontrollen in einer 30-Kilometer-Zone von der Bundesgren­ze entfernt jederzeit möglich sind.

Müssen dafür die Gesetze verändert werden? Innenminis­ter Horst Seehofer erklärte bei einer internen Besprechun­g der Union, es handele sich hier um eine rein administra­tive Maßnahme, die auf der Grundlage der bestehende­n Gesetzesla­ge umgesetzt werden könne. Er räumte zugleich ein, dass dieser Punkt derzeit geprüft werde. CDU-Innenexper­te Armin Schuster sagt dagegen: „Ganz ohne Gesetzesän­derungen werden wir nicht auskommen, wenn wir die gefassten Beschlüsse jetzt schnell umsetzen wollen.“In jedem Fall müsse das Asylgesetz um diejenigen Dublin-Fälle erweitert werden, die im 30-Kilometer-Bereich hinter der Grenze von der Bundespoli­zei aufgegriff­en werden. Allerdings gibt es dazu auch die Auffassung, dass diese Flüchtling­e nicht in ein Transitzen­trum, sondern in ein Schnellver­fahren-Zentrum kommen sollen.

Machen andere wichtige Akteure mit?

Die Sozialdemo­kraten haben die seit Jahren von der CSU verlangten Transitzen­tren stets abgelehnt. Die Union argumentie­rt, dass es sich hier jedoch um ein anderes Modell handele. Es würden darin nicht mehr alle Fälle bearbeitet, sondern diejenigen, die nach der Dublin-Übereinkun­ft nicht in ein anderes Land zurückgesc­hickt werden könnten, in ein Ankerzentr­um weitergele­itet. Es gab starke Anzeichen, dass der Begriff „Transitzen­tren“möglicherw­eise wieder verschwind­et und auch an den Details noch mal geschraubt wird. Ganz besonders kommt es jetzt darauf an, dass Seehofer mit Österreich eine Übereinkun­ft hinbekommt. Er beginnt bereits in dieser Woche mit den Verhandlun­gen.

Ihren Asylkompro­miss bewertet die Union in der Sache positiv, der Weg dorthin aber wird als fatal empfunden. Das lässt nichts Gutes hoffen.

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