Der nächste Krach kommt sicher
ANALYSE
BERLIN Angela Merkel musste erst einmal die Luft anhalten, als sie die Nachricht auf ihrem Handy sah. Unmittelbar bevor die große Schlichtungsrunde von CDU und CSU am Montag im Konrad-Adenauer-Haus zusammenkommen sollte, verbreitete die „Süddeutsche Zeitung“dieses Zitat von CSU-Chef Horst Seehofer: „Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin geworden ist.“
Dabei hatte sie gerade noch mit dem Innenminister im Vermittlungsgespräch bei Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) gesessen. Er soll ihnen demVernehmen nach ruhig, aber bestimmt eingeschärft haben, dass sie bei einem Bruch der Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU in einen Abgrund schauen würden, der so tief ist, dass ihr Aufschlag kaum noch zu hören sein werde. Beide seien dann kompromissbereiter losgefahren.
Das über die sozialen Medien verbreitete Zitat sei dann wieder ein Schlag ins Merkel-Kontor gewesen, und es habe einiger mentaler Entspannungsübungen der Kanzlerin und ihrer Mitstreiter bedurft, damit das Gespräch in der CDU-Zentrale nicht zu Ende war, bevor es richtig begonnen hatte, berichten Christdemokraten, die dabei waren.
Wenige Worte reichen, um den Zwist neu zu entfachen.Was aber hält die Regierung noch zusammen, und wie lange? Drei Beobachtungen:
Keiner hat Interesse an einer Neuwahl. Nicht nur die schlechten Umfragewerte für die große Koalition lassen Union und SPD davor zurückschrecken, das Regierungsbündnis aufzukündigen. CDU und SPD müssen sich nach ihren Stimmverlusten von September neu aufstellen. Die Sozialdemokraten streben einen umfassenden Erneuerungsprozess an. Bei der CDU will Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer ein neues Grundsatzprogramm auflegen. Beide Parteien benötigen zudem Zeit, um den richtigen Kanzlerkandidaten für die nächste Bundestagswahl zu finden. Die CSU gibt bis zur Bayernwahl Ruhe. Die CSU hat in der harten Auseinandersetzung mit der CDU heftig Federn lassen müssen. Ihre Umfragewerte sind abgestürzt. Die Christsozialen mussten feststellen, dass ihnen der Streit und ihr brachiales Auftreten geschadet haben. Einen solchen Aufruhr werden sie vor der Landtagswahl in Bayern am 14. Oktober nicht mehr anzetteln.
Konflikte werden Ende des Jahres wieder aufbrechen. Der Konflikt ist erneut nur vertagt. Der Kompromiss von CDU und CSU wird in der Union in der Sache als positiv bewertet, aber der Weg dorthin als fatal für dasVertrauensverhältnis der beiden Vorsitzenden der Schwesterparteien. Es gebe keine Vertrauensbasis mehr, heißt es. Die alten Gräben dürften spätestens Ende des Jahres wieder aufreißen, wenn in Bayern eine neue Regierung steht und der Kampf um bundespolitische Positionierung sowie um das Erbe Seehofers weitergeht. Einen Konflikt wie den der vergangenenWochen übersteht die Union nicht noch einmal.