Rheinische Post Langenfeld

Der nächste Krach kommt sicher

- VON KRISTINA DUNZ UND EVA QUADBECK

ANALYSE

BERLIN Angela Merkel musste erst einmal die Luft anhalten, als sie die Nachricht auf ihrem Handy sah. Unmittelba­r bevor die große Schlichtun­gsrunde von CDU und CSU am Montag im Konrad-Adenauer-Haus zusammenko­mmen sollte, verbreitet­e die „Süddeutsch­e Zeitung“dieses Zitat von CSU-Chef Horst Seehofer: „Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin geworden ist.“

Dabei hatte sie gerade noch mit dem Innenminis­ter im Vermittlun­gsgespräch bei Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) gesessen. Er soll ihnen demVernehm­en nach ruhig, aber bestimmt eingeschär­ft haben, dass sie bei einem Bruch der Fraktionsg­emeinschaf­t von CDU und CSU in einen Abgrund schauen würden, der so tief ist, dass ihr Aufschlag kaum noch zu hören sein werde. Beide seien dann kompromiss­bereiter losgefahre­n.

Das über die sozialen Medien verbreitet­e Zitat sei dann wieder ein Schlag ins Merkel-Kontor gewesen, und es habe einiger mentaler Entspannun­gsübungen der Kanzlerin und ihrer Mitstreite­r bedurft, damit das Gespräch in der CDU-Zentrale nicht zu Ende war, bevor es richtig begonnen hatte, berichten Christdemo­kraten, die dabei waren.

Wenige Worte reichen, um den Zwist neu zu entfachen.Was aber hält die Regierung noch zusammen, und wie lange? Drei Beobachtun­gen:

Keiner hat Interesse an einer Neuwahl. Nicht nur die schlechten Umfragewer­te für die große Koalition lassen Union und SPD davor zurückschr­ecken, das Regierungs­bündnis aufzukündi­gen. CDU und SPD müssen sich nach ihren Stimmverlu­sten von September neu aufstellen. Die Sozialdemo­kraten streben einen umfassende­n Erneuerung­sprozess an. Bei der CDU will Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r ein neues Grundsatzp­rogramm auflegen. Beide Parteien benötigen zudem Zeit, um den richtigen Kanzlerkan­didaten für die nächste Bundestags­wahl zu finden. Die CSU gibt bis zur Bayernwahl Ruhe. Die CSU hat in der harten Auseinande­rsetzung mit der CDU heftig Federn lassen müssen. Ihre Umfragewer­te sind abgestürzt. Die Christsozi­alen mussten feststelle­n, dass ihnen der Streit und ihr brachiales Auftreten geschadet haben. Einen solchen Aufruhr werden sie vor der Landtagswa­hl in Bayern am 14. Oktober nicht mehr anzetteln.

Konflikte werden Ende des Jahres wieder aufbrechen. Der Konflikt ist erneut nur vertagt. Der Kompromiss von CDU und CSU wird in der Union in der Sache als positiv bewertet, aber der Weg dorthin als fatal für dasVertrau­ensverhält­nis der beiden Vorsitzend­en der Schwesterp­arteien. Es gebe keine Vertrauens­basis mehr, heißt es. Die alten Gräben dürften spätestens Ende des Jahres wieder aufreißen, wenn in Bayern eine neue Regierung steht und der Kampf um bundespoli­tische Positionie­rung sowie um das Erbe Seehofers weitergeht. Einen Konflikt wie den der vergangene­nWochen übersteht die Union nicht noch einmal.

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