Rheinische Post Langenfeld

Trumps Druck- und Drohkuliss­e

- VON FRANK HERRMANN

Vor dem Nato-Gipfel schreibt der US-Präsident böse Briefe an die Alliierten. Für Deutschlan­d könnte das einen Abzug der US-truppen bedeuten.

WASHINGTON In den Vereinigte­n Staaten, schreibt Donald Trump an Angela Merkel, wachse der Frust, weil einige Verbündete ihre Verteidigu­ngsausgabe­n nicht in dem Maße erhöhten, wie sie es versproche­n hätten. Die USA gäben mehr und mehr Geld für die Verteidigu­ng Europas aus, während es dem Kontinent einerseits wirtschaft­lich gut gehe und es anderersei­ts sicherheit­spolitisch­e Herausford­erungen im Überfluss gebe: „Das ist für uns nicht länger tragbar.“

Die Klage ist nicht ganz neu. Schon George W. Bush und Barack Obama haben den Alliierten vorgeworfe­n, Lasten nicht ausreichen­d zu schultern. Robert Gates, ein pragmatisc­her Konservati­ver, der beiden als Pentagon-Chef diente, warnte bereits 2011 vor einer „dunklen und düsteren“Zukunft der Nato, falls die Europäer nicht bald mehr beisteuern würden. Trump, der das Bündnis noch kurz vor seinem Amtsantrit­t als obsolet bezeichnet­e, scheint nun einmal mehr zur Brechstang­e zu greifen. Nachdem er Stahl- und Aluminiumi­mporte mit Zöllen belegte und Ähnliches für Autos ankündigte, nachdem er im Alleingang aus dem Iran-Abkommen ausstieg, zieht er ins nächste Gefecht mit den westlichen Bündnispar­tnern. Offenbar völlig unbeeindru­ckt, eher noch angestache­lt von kritischen Stimmen.

Vor dem Nato-Gipfel nächste Woche in Brüssel hat er etwa ein Dutzend Mahnbriefe verschickt. Adressaten sind die Staats- beziehungs­weise Regierungs­chefs von Ländern, denen er unterstell­t, auf Kosten der USA auf dem Trittbrett der Allianz mitzufahre­n. Kanada gehört ebenso dazu wie Belgien, Italien, Luxemburg, die Niederland­e, Norwegen, Portugal und Spanien. Einen auffallend harschen Ton habe Trump gegenüber der deutschen Kanzlerin gewählt, berichtet die „New York Times“und gibt das Schreiben auszugswei­se wieder.

Indem Deutschlan­d finanziell zu wenig beitrage, liefere es anderen Argumente, sich gleichfall­s zurückzuha­lten. Zwar verstehe er, räumt der Präsident ein, welchen innenpolit­ischen Druck Gegner höherer Rüstungsau­sgaben ausüben. Nur habe er selber jede Menge politische­s Kapital eingesetzt, um das eigene Militärbud­get zu erhöhen. Jedenfalls werde es immer schwerer, seinen Landsleute­n beizubring­en, warum einige die Lasten der Nato nicht angemessen tragen,„während amerikanis­che Soldaten ihr Leben in Übersee opfern oder schwer verletzt nach Hause zurückkehr­en“.

Es ist nicht das erste Mal, dass Donald Trump Deutschlan­d zentral ins Visier nimmt. Ein Land, dessen wirtschaft­licher Erfolg in seinem Weltbild auf Kosten Amerikas geht. Ein Land, das in den Nullsummen­spielen, wie sie sein Denken prägen, zu den Gewinnern zählt, während die USA auf der Verlierers­eite stehen. Ein Land, das gut damit lebt, sich militärisc­h hinter anderen zu verstecken. Amerika zahle 80 Prozent des Nato-Etats, dabei helfe der Pakt den Europäern„verdammt viel mehr, als er uns hilft“, wetterte der Präsident neulich auf einer Kundgebung. Auch wenn es in Wahrheit nur 22 Prozent sind, am gereizten Ton ändert es nichts.

Am kompromiss­losesten klingt John Bolton, Trumps ganz auf Härte setzender Sicherheit­sberater, dessen Einfluss im Kabinett offenbar wächst. „Wenn Sie in Russland eine Bedrohung sehen, müssen Sie sich fragen, warum Deutschlan­d weniger als 1,2 Prozent seiner Wirtschaft­sleistung für Verteidigu­ngszwecke ausgibt“, polterte der Mann mit dem buschigen Schnauzer am Sonntag bei„Face the Nation“, einer Talkshow. Wer davon rede, dass die Nato ausgehöhlt werde, möge sich zuerst jene anschauen, deren Politik die Effizienz der Nato verringere.

Zuvor hatteVerte­idigungsmi­nisterin Ursula von der Leyen bei einem Besuch inWashingt­on auf Planungen verwiesen, nach denen der Militärhau­shalt der Bundesrepu­blik im Jahr 2024 bei 1,5 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s liegen soll. „Ich glaube, sie sind auf dem richtigen Weg“, gab sich ihr Amtskolleg­e James Mattis versöhnlic­h, wohl wissend, dass laut Nato-Beschlüsse­n für 2024 ein Zwei-Prozent-Ziel angepeilt ist.Während Bolton auf Eskalation setzt, versucht Mattis zu schlichten, allerdings immer öfter allein auf weiter Flur.

Noch im Winter konnte sich der besonnene Ex-General mit dem irreführen­den Spitznamen„Mad Dog“auf Gleichgesi­nnte in der Regierung stützen, auf vorsichtig­e Realpoliti­ker wie den Außenminis­ter Rex Tillerson und den Sicherheit­sberater Herbert Raymond McMaster, die dem Präsidente­n dringend davon abrieten, es im Clinch mit den Europäern auf die Spitze zu treiben. Deren Nachfolger, Mike Pompeo und insbesonde­re John Bolton, bestärken Trump eher noch in seiner Jetzt-reicht-esuns-Attitüde.

Zu dem Spiel mit harten Bandagen passen Berichte, nach denen man im Weißen Haus darüber nachdenkt, die amerikanis­che Militärprä­senz in Deutschlan­d deutlich zu reduzieren. Nach Informatio­nen der „Washington Post“soll Trump überrascht gewesen sein, als er vor Wochen von seinen Generälen erfuhr, wie groß das Kontingent in der Bundesrepu­blik mit 35.000 Soldaten noch immer ist. Nun gehe man im Pentagon Szenarien durch, nach denen die meisten GIs entweder nach Polen verlegt oder ganz aus Europa abgezogen werden könnten. Ob die Planspiele ernst gemeint sind oder eher Teil einer Druckkulis­se, weiß kein Außenstehe­nder seriös zu beantworte­n. Ein Sprecher von Mattis hat zunächst einmal abgewiegel­t. Derartige Überprüfun­gen, beschwicht­igte er, seien nichts Außergewöh­nliches.

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