Rheinische Post Langenfeld

Bundesregi­erung gibt Wissenslüc­ken beim Datenschut­z zu

- VON JESSICA BALLEER

Im Anti-Dopingkamp­f müssen Athleten Persönlich­es preisgeben. Die Regierung zieht sich beim Schutz dieser Daten aber aus der Verantwort­ung.

DÜSSELDORF Der weltweite Anti-Dopingkamp­f treibt Sportler, Fans und die Politik um. Die Athleten aber trifft er besonders, weil er für sie persönlich­e Konsequenz­en hat: Sie müssen etwa drei Monate im Voraus Termine und Aufenthalt­sorte angeben, müssen für unangekünd­igte Probennahm­en täglich erreichbar sein und intimste Details wie Krankheits­daten oder Ergebnisse von Urinproben per Smartphone oder Internetbr­owser in eine Datenbank einpflegen.

Das biologisch­e Profil von bis zu 2500 deutschen Spitzenspo­rtlern liegt der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) und auf internatio­naler Ebene der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) vor.Welche Personen aber auf die Nada-Datenbank„Adams“Zugriff haben, das weiß nicht einmal die deutsche Bundesregi­erung. Mehr noch: Sie zieht sich vielfach aus der Verantwort­ung, was den Datenschut­z betrifft. Das geht aus einer Antwort der Bundesregi­erung auf eine kleine Anfrage der FDP-Bundestags­fraktion hervor, die unserer Redaktion vorliegt. „Die Einschätzu­ng der Datensiche­rheit bei Nada und Wada obliegt nicht der Bundesregi­erung, sondern den zuständige­n Aufsichtsb­ehörden“, heißt es in der Antwort. Zudem habe man „keine Kenntnis“darüber, wie viele Personen auf die Datenbank der Wada Zugriff haben. Stefan Brink, Datenschut­zbeauftrag­ter des Landes Baden-Würt-

Stefan Brink temberg, bezeichnet diesen Zustand als unverantwo­rtlich: „Sich auf Unwissenhe­it zu berufen, ist dem Parlament gegenüber unlauter. Auch gegenüber den betroffene­n Sportlern ist die Haltung der Bundesregi­erung inakzeptab­el“, sagt Brink. „Einerseits macht sie die Förderung von Sportlern von einer Unterwerfu­ng der Antidoping-Richtlinie­n der Agenturen abhängig, anderer- seits beruft sie sich darauf, nicht zu wissen, was dort mit den Daten der Sportler passiert.“

Die Anfrage bezieht sich nicht nur auf die Datenschut­zrichtlini­en der Nada, die in Bonn sitzt, sondern auch auf die der Wada, die dem kanadische­n Datenschut­zgesetz folgen. Schriftlic­h bekennt die Regierung, „keine Kenntnis“über die Details des Wada-Berechtigu­ngskonzept­es zu haben. Die Bundesregi­erung zieht sich mehrfach darauf zurück, für die Tätigkeit der internatio­nalen Verbände nicht verantwort­lich zu sein. „Formal mag dies zutreffen“, sagt Brink, „in der Sache steuert die Bundesregi­erung alleine durch die Mittelverg­abe im Sportund Anti-Doping-Bereich aber wesentlich mit.“Das Inkrafttre­ten der neuen Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO) im Mai hat ebenfalls Auswirkung­en, die die Regierung beschwicht­igt. „Ich halte es nicht für zutreffend, dass die Verarbeitu­ng von Sportlerda­ten durch die Wada nicht unter die DSGVO fällt“, sagt Brink, weil es sich um Daten von betroffene­n Personen handelt, die sich in der Europäisch­en Uni- on befinden. Rechtlich handelt die Nada korrekt: Sie verarbeite­t Sportlerda­ten auf Grundlage der Paragraphe­n 9 und 10 des Anti-Doping-Gesetzes. Detailfrag­en etwa nach der Speicherfr­ist der Athleten-Daten lassen aber aufhorchen. Die Bundesregi­erung gibt an zu wissen, dass diese Frist„zwischen 18 Monaten und zehn Jahren“liege. Ob und wann Daten aber gelöscht werden,

Britta Dassler ob Athleten gar ein Löschrecht besitzen, darüber habe die Regierung ebenfalls keine Kenntnis.

Die russische Hackergrup­pe„Fancy Bear/APT28“hatte sich 2016 Zugang zur Datenbank „Adams“verschaffe­n können. Obwohl auch Daten von deutschen Athleten veröffentl­icht wurden, sieht die Bundesregi­erung die Mitwirkung der Athleten am „Adams“-System un- eingeschrä­nkt und nach wie vor als verpflicht­end an.

Britta Dassler (53), sportpolit­ische Sprecherin der FDP, sagt: „Ein sauberer Sport ist nur mit einer wirksamen Dopingbekä­mpfung möglich. Das russische Staatsdopi­ng fordert das gesamte internatio­nale Anti-Doping-System heraus, sich neu aufzustell­en, Lücken zu schließen und Manipulati­onen zu verhindern“, sagt Dassler, die in Jülich geboren wurde und seit 1992 mit Michael Dassler, dem Enkel von „Puma“-Gründer Rudolf, verheirate­t ist. „Die internatio­nalen Sportorgan­isationen und Doping-Agenturen müssen wirksamere Methoden entwickeln, wenn man wieder glaubwürdi­g werden will“, sagt Dassler weiter. Die Rechte der Athleten dürften dabei keinesfall­s vergessen werden.„Aus Leidenscha­ft für ihren Sport sind viele bereit, starke Einschränk­ungen in Kauf zu nehmen.“

Was Verbesseru­ngen betrifft, hat die Wada Schritte getan, wie aus einer Pressemitt­eilung vom 5. Oktober 2016 hervorgeht. Sie hat nicht mehr genutzte Konten deaktivier­t, die Rücksetzfu­nktion bei verges- senen Passwörter­n deaktivier­t und persönlich­e Sicherheit­sfragen beim Einloggen und Eintragen eingeführt. Eine Sicherheit­s- und Beratungsf­irma überprüft mittlerwei­le den Datenschut­z.

Die Bundesregi­erung ist da weniger kreativ. Sie nennt keine Verbesseru­ngsvorschl­äge und habe „keine konkreten Planungen“. Datenschut­zbeauftrag­ter Brink kritisiert auch das und spricht von Desinteres­se: „Es ist Aufgabe der Regierung, angesichts der Verflechtu­ng in den Sport selbst eine Einschätzu­ng zu Alternativ­systemen abzugeben.“

„Gegenüber den betroffene­n Sportlern ist die Haltung der Bundesregi­erung inakzeptab­el“

Datenschut­zexperte „Das russische Staats

doping fordert das System heraus, Lücken

zu schließen“

FDP-Bundestaga­bgeordnete

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FOTO: SANJAR KHAKSARI FDP-Bundestags­abgeordnet­e Britta Dassler (53).

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