Rheinische Post Langenfeld

Tennis-Mama Maria

- VON PIRMIN CLOSSE UND TIM KRONNER

Tatjana Maria sorgte in Wimbledon für die erste große Überraschu­ng des Rasen-Turniers. Auch Angelique Kerber ist eine Runde weiter.

WIMBLEDON (dpa) Andere Mütter bringen ihre Kinder zum Tennis-Training, sie nimmt ihren Nachwuchs mit nach Wimbledon. Die Rede ist von Tatjana Maria, die beim ältesten Tennis-Turnier der Welt gerade für Furore sorgt. Die 30-jährige Deutsche hat nicht nur deshalb allen Grund, ihr Leben als Tennisprof­i so richtig zu genießen. Schließlic­h gewann sie vor rund einer Woche auf Mallorca ihren ersten Titel auf der WTA-Tour und sorgte nun beim Grand-Slam-Klassiker inWimbledo­n für die erste große Sensation. Trotzdem setzte sie selbst nach ihrem überrasche­nden Erstrunden­erfolg über die Weltrangli­stenfünfte Jelena Switolina andere Prioritäte­n. Denn Maria ist in erster Linie Chefin eines kleinen Familienun­ternehmens.

„Ich habe es schon so oft gesagt: Meine Familie ist einfach das Wichtigste“, sagte die Schwäbin, nachdem sie die ukrainisch­e Mitfavorit­in durch ein 7:6 (7:3), 4:6, 6:1 aus dem Turnier geworfen hatte. Das Wohlergehe­n von Töchterche­n Charlotte und Ehemann Charles Edouard, der auch ihr Trainer ist, steht für Maria selbst in den wohl erfolgreic­hsten Wochen ihrer Sportlerka­rriere über allem:„So lange wir gemeinsam reisen und es uns gut geht, ist das wichtiger als alles andere“, sagte sie.

Seit 2013 ist die Familie gemeinsam auf der Tour unterwegs. Der Spagat zwischen dem reiseinten­siven Leben als Tennisprof­i und den Bedürfniss­en ihrer Tochter ist ein schwierige­r Balanceakt, vor dem viele Spielerinn­en Respekt haben. Maria ist eine von nur fünf Müttern auf der Tour. Jeden ihrer Erfolge will sie deshalb auch als Botschaft für die Vereinbark­eit dieser beiden Lebensreal­itäten verstanden wissen.

Maria ist eben eine unkonventi­onelle Spielerin – und das nicht nur neben, sondern auch auf dem Platz. Ihren Gegnerinne­n raubt die Bad Saulgaueri­n mit ihrem ungewöhnli­chen Slice und einem im Frauentenn­is extrem selten gewordenen Netzspiel den Nerv. „Ich weiß, dass die Gegner mein Spiel nicht mögen. Ich weiß, dass ich anders spiele als die anderen“, sagte Maria. Switolina etwa wirkte am Montag vom ersten Ballwechse­l an frustriert.

Nach einer wahren Seuchensai­son mit zwölf Erstrunden-Pleiten, darunter eine 0:6, 0:6-Höchststra­fe in Straßburg gegen die Russin Anastassij­a Pawljutsch­enkowa, ist Maria in der Gras-Saison urplötzlic­h aufgeblüht. „Rasen war schon immer einer meiner Lieblingsb­eläge“, sagte sie: „Aber dieses Jahr lief natürlich doch noch einmal ein bisschen besser.“

Bei ihrem Lieblings-Grand-Slam inWimbledo­n ist Maria in der Form ihres Lebens im Grunde alles zuzutrauen. Ihre nächste Gegnerin ist die kriselnde Französin Kristina Mladenovic. Danach winkt ein Highlight-Duell mit US-Superstar Serena Williams, auch die bekanntlic­h eine frischgeba­ckene Tennis-Mutter.

Noch kinder-, aber keinesfall­s erfolglos ist Angelique Kerber. Die an elf gesetzte Deutsche ist die größte Hoffnung des deutschen Da- men-Teams in Wimbledon. Genau wie Maria hat sie ihr erstes Spiel gewonnen. Dass sie dafür nur zwei anstatt drei Sätze brauchte, kann aber nicht darüber hinwegtäus­chen, dass sich die Finalistin von 2016 auf dem englischen Grün anfangs schwer tat.

Kerber gewann zum Auftakt 7:5, 6:3 gegen die Russin Vera Swonarewa, die seit mehr als drei Jahren kein Grand-Slam-Spiel mehr bestritten hatte. Sie steht in der Weltrangli­ste auf Platz 142 und musste sich für das Hauptfeld qualifizie­ren. Zwar erwischte Favoritin Kerber den besseren Start, ließ die Kontrahent­in nach einem 3:0 und 5:2 aber wieder ausgleiche­n. Letztendli­ch ließ sich die Norddeutsc­he aber vom engen Spielstand nicht irritieren und sicherte sich gegen die nicht immer sichere Russin die Satzführun­g. Im zweiten Satz führte die Kielerin mit 5:1, hatte dann aber noch Probleme, das Match zu beenden.

In der zweiten Runde am Donnerstag ist Kerber gegen die amerikanis­che Qualifikan­tin Claire Liu klare Favoritin. Sie wird sich im Turnierver­lauf aber steigern müssen, wenn sie an ihren Erfolg von vor zwei Jahren anknüpfen will. Nicht mehr im Turnier ist die Düsseldorf­erin Antonia Lottner, die trotz eines Satzgewinn­s gegen die Russin Jewgenija Sergejewna-Rodina mit 6:3, 5:7, 4:6 ausschied.

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FOTO: REUTERS Jubel im Sonnenunte­rgang: Nach einem packenden Spiel besiegte Tatjana Maria die Weltrangli­stenfünfte Jelena Switolina.
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