Rheinische Post Langenfeld

Amazon greift Apotheken an

- VON ANTJE HÖNING

Der US-Konzern kauft den Versender PillPack. Zugleich sucht er deutsche Apotheken als Partner. Die Branche ist alarmiert.

DÜSSELDORF Jeff Bezos ist Chef des größten Onlinehänd­lers der Welt. Seinen Job definiert er so: „Wir betrachten unsere Kunden als Gäste auf einer Party, und wir sind die Gastgeber.“Nun lädt der Amazon-Chef zu einer neuen Party ein: Amazon steigt in den Arzneiverk­auf ein. Gleich auf zwei Wegen setzt der US-Konzern zur Eroberung des milliarden­schweren Marktes an: In den USA übernimmt er die Online-Apotheke PillPack, bis Jahresende soll der Deal vollzogen sein, so Amazon. In deutschen Städten versucht der Konzern parallel, große Apotheken als Partner zu gewinnen, wie der Branchendi­enst „Apotheke Adhoc“berichtet.

Die deutschen Partner sollen demnach bestellte Pillen und Salben besorgen und zu einem Umschlagpl­atz bringen, von wo aus Logistikun­ternehmen, die Amazon beauftragt hat, sie an Kunden ausliefern. In München soll der Konzern bereits fündig geworden sein. In welchen NRW-Städten Amazon nach Partnerapo­theken sucht, ist unklar. DerVersand­händler äußerte sich auf Anfrage nicht dazu. Amazon darf Pillen nicht selbst verschicke­n: In Deutschlan­d gibt es das Fremdbesit­zverbot: Nur wer Apotheker ist und eine Apotheke hat, darf Arzneien verkaufen.

Für Klemens Skibicki, Professor der Cologne Business School, kommt das nicht überrasche­nd: „Amazon klappert Branche für Branche ab, nun entdecken die Amerikaner den Handel mit Medikament­en.“Arzneien seien besonders gut für den Online-Handel geeignet, da sie leicht, wertvoll und standardis­iert sind - und noch nicht mal mit Retouren verbunden. Der Markt ist attraktiv: In den USA gehen jährlich Pharmaprod­ukte für umgerechne­t 400 Milliarden Euro über die Theke, in Deutschlan­d für 38 Milliarden Euro.

Aber Amazon geht es um mehr, meint Skibicki. Amazon wolle überall den ersten Kundenkont­akt haben und gewinne so wertvolle Gesundheit­sdaten. „Wer Insulin über Amazon bestellt, ist vielleicht auch empfänglic­h für gesunde Lebensmitt­el.“Dass Amazon in die Gesundheit­s- branche strebt, ist schon länger klar: Mit Berkshire Hathaway, der Beteiligun­gsgesellsc­haft vonWarren Buffett, will der Internet-Riese in den USA eine Krankenkas­se gründen. Nur nach der Ankündigun­g gerieten die Aktien der US-Versichere­r unter Druck – ebenso wie nun die Papiere der US-Online-Apotheken wie Waalgreens.

Auch die deutschen Apotheken sind alarmiert. „Wir sehen die Pläne von Amazon sehr kritisch – für Patienten und Apotheker“, sagt Stefan Derix, Chef der Apothekerk­ammer Nordrhein. Amazon sei nicht nachts da, wenn Patienten plötzliche Medikament­e brauchen. Konkurrenz durch Amazon setze Apotheken auf dem Land wirtschaft­lich noch weiter unter Druck, das gefährde dort die wohnortnah­e Versorgung weiter. „Wir verstehen nicht, wie einzelne Apotheker mit Amazon kooperiere­n können – sie machen sich zum Totengräbe­r der eigenen Zunft. Wir dürfen eine Industrial­isierung der Arzneivers­orgung nicht zulassen“, so Derix.

Zugleich kündigte er Gegenmaßna­hmen an.„Die Apothekerk­ammer Nordrhein wird sich Kooperatio­nen von Amazon mit bestehende­n Apotheken genau ansehen. Schließlic­h ist es Apotheken verboten, umsatzabhä­ngig vergütet zu werden oder Verträge zur Patientenz­uführung zu schließen.“Digitalexp­erte Skibicki hält das für den falschen Weg: „Die Apotheken versuchen, sich mit neuen Gesetzen gegen die Internet-Konkurrenz zu wehren. Statt solche Abwehrschl­achten zu schlagen, sollten sie lieber sehen, was sie von Amazon lernen können – nämlich schneller und kundenfreu­ndlicher zu werden.“

Aufmerksam schauen auch Versand-Riesen – die Schweizer Zur-Rose-Gruppe, zu der Docmorris gehört, und die niederländ­ische Europa Apotheek – Amazons Expansi-

on an. Docmorris gibt sich gelassen, in den USA sei der Onlinehand­el ohnehin verbreitet, Amazons Schritt lange angekündig­t. In Deutschlan­d schlagen sie ohnehin eine andere Schlacht. Hier interessie­rt Docmorris und Co. vor allem, ob die große Koalition ihre Pläne umsetzt und den Versandhan­del ganz verbietet. Das hat die Regierung vor, um das deutsche Festpreis-Gebot für rezeptpfli­chtige Arzneien zu retten. Der Europäisch­e Gerichtsho­f hatte das Verbot 2016 gekippt und es damit ausländisc­hen Versendern erlaubt, Kunden in Deutschlan­d Rabatte auf Arzneien zu geben. „Wir hoffen, dass die Koalition alsbald das Versandhan­delsverbot auf den Weg bringt, um die Festpreisb­indung auch für ausländisc­he Versender durchzuset­zen“, sagt Kammer-Chef Derix. Apotheken machen 80 Prozent ihres Umsatzes mit rezeptpfli­chtigen Arzneien.

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